TCR – Blog | Woche 8


Die achte Woche des TCR. Von den Lofoten an das ersehnte Ziel: Nordkapp!

TCR #50 Lofoten: Panorama, Wohnmobile und kalter Gegenwind

Mittwoch, 25. Juni. Es hat sich gelohnt, noch die letzte Fähre von Bodø zu nehmen. Obwohl das mit dem Schlafen auf der Fähre leider nicht geklappt hat. Sie war einfach zu voll und die einzelnen Sitze zu unbequem dafür. So konnte ich erst nach der Ankunft um 2:30 in Moskenes mein Zelt aufbauen und dann zumindest noch ein paar Stunden Ruhe finden. Dennoch: als ich wieder aufwachte schien die Sonne, die  Lofoten präsentierten si ihrer Bilderbuchseite.

Bei einem solchen Panorama fährt es sich gleich viel leichter. Auch wenn man nicht richtig ausgeschlafen ist. Ich kam allerdings nicht besonders schnell voran, weil ich immer wieder zum Fotografieren stehenblieb.

Die Zeit musste ich mir nehmen. Wer weiß, wann ich wieder hierher komme. Gut gelaunt fuhr ich von Foto-Punkt zu Foto-Punkt und war mental auf einen angenehmen Tag in dieser bezaubernden Umgebung vorbereitet. Zumal die Strecke laut Vorausberechnung flach zu sein versprach.

Das Erste, das nicht so richtig in die Bilderbuchumgebung passte, war der starke Verkehr. Anfangs hatte ich den noch gar nicht richtig bemerkt und wohl auch gedacht, er würde nachlassen, wenn ich weiter von Moskenes wegkomme.

Das war aber nicht so. Ich bewegte mich in einer nicht abreißen wollenden Wohnmobil-Karawane, dazwischen normale Autos und Lastwägen, die auf der mitunter recht schmalen und schlechten Straße in beide Richtungen fuhr. Der Verkehrslärm war erheblich und mehrmals musste ich anhalten, um hinter mir drängelnde Wohnmobile passieren zu lassen.

Dann wurde auch das Wetter schlecht. Die Sonne war bald hinter einer dicken Wolkendecke verschwunden und es kam ein rescher, kalter Nordwind auf. Obendrein stellte ich bald fest, dass die vorab errechneten Höhenmeter nicht stimmen konnten. Nach kaum 50 Kilometern war ich bereits den Großteil der angeblich auf über 200 Kilometern langen Teilstrecke nur 800 Höhenmeter gefahren, und es ging weiter hurtig hügelig bergauf, bergab. Immer wieder mit kräfteraubenden Rampen über die Insel.

Wenn man bedenkt und sieht, wie sich die Berge steil vom Meeresspiegel aus erheben, ist etwas Anderes auch kaum zu erwarten. Entspannt war der Tag schon lange nicht mehr. Und wieder einmal waren Einkehrmöglichkeiten rar, und davon auch noch die meisten geschlossen.

Das gehört zu meiner Reise. Es war mir von Anfang an bewusst, dass es auch hart wird. Mein Transcontinental Ride ist kein Urlaub, kein Spaß und keine Vergnügungsreise. Könnte es sein, wenn ich in etwa doppelt so viel Zeit hätte und nur 70, 80 Kilometer am Tag fahren würde. Zwischendurch ausnahmsweise einmal 100. Und jede Woche mindestens einen Ruhetag machen würde.

Doch das ist in meinem Zeitbudget nicht drin. Ich muss auch fahren, wenn das Wetter schlecht ist, wenn es zwickt und die Beine müde sind. Schauen, dass ich mein tägliches Pensum von durchschnittlich 150 Kilometer zumindest annähernd erreiche. Trotz aller Schwierigkeiten und Hürden am Weg, von denen es mehr als genug gibt.

Mich dazu zu motivieren fällt oft genug schwer. Aber es gibt immer wieder ein erreichbares Ziel zwischendurch, an dem ich mich festhalten kann. Wenn ich stets nur an das Nordkap denken würde, wäre ich längst nicht so weit gekommen. Und Urlaub machen und mich richtig erholen kann und muss ich, wenn ich wieder zuhause bin.

Weiter ging es also, gut eingepackt im Regengewand als Windschutz. In der Wohnmobil-Karawane. Alle möglichen schöne Plätze die es gab waren ebenfalls mit Wohnmobilen verparkt. Es war, als wäre man auf einer Camping- und Caravan-Messse

Erst als die Radroute eine Weile von der Hauptstraße E10 auf die kleinere 815 führte wurden der Verkehr und der nervige Verkehrslärm weniger. Ich konnte das Panorama etwas mehr genießen.

Was allerdings nicht besser wurde, war das Wetter. Es fielen zwar nur selten einige harmlose Regentropfen, der kalte Wind war jedoch anhaltend und drückte die Temperatur, die ohnehin nur noch bei 8 Grad lag, gefühlt noch weiter nach unten.

Ich wurde immer müder und hatte nur noch wenig Lust, weiterzufahren. Also beschloss ich, mir für die Nacht wieder ein warmes Zimmer zu nehmen. In Svolvær, das zu dem Zeitpunkt noch fast 50 Kilometer entfernt war, fand ich eines. Dreimal so teuer wie normalerweise auf meiner Reise, aber zumindest in fahrbarer Distanz und ohne Umweg direkt an meiner Route, die dann schon wieder entlang der E10 verlief. Zumindest hatten sich dann schon die meisten Wohnmobile irgendwo eingeparkt und der Verkehr war nun erträglicher.

Mit der Karotte eines bequemen, weichen Bettes und reichlich Schlaf vor der Nase konnte ich nochmals Energien mobilisieren und kam schließlich im warmen Zimmer an. Müde und richtig ausgelaugt kippte ich auf das Bett.

Nur noch rund 800 Kilometer bis zum Nordkap.

TCR #51 Zum Nordzipfel der Lofoten

Donnerstag, 26. Juni. Ein großes Stück vorwärts. Ich habe es geschafft, die Lofoten in nur zwei Tagen abzufahren und in der Nacht, die keine war, den Hafen von Andenes zu erreichen. Von hier aus kann ich um 8:45 die Fähre nach Gryllefjord nehmen. Es sind dann nur noch 500 Kilometer zum Nordkap.

IRRTUM: ES SIND NOCH 700 km. ICH HATTE EINE TEILSTRECKE ÜBERSEHEN

Doch der Reihe nach. Der zweite Tag auf den Lofoten begann wesentlich besser als der zuvor. Ich wachte erholt und ausgeschlafen auf, machte mich dann über das Frühstücksbuffett her und ging die Weiterfahrt gemütlich an.

Mitternachtssonne auf den Lofoten

Die Route führte mich zu Beginn wieder auf die E10. Ich erwartete schon Schlimmes, doch meine Sorge war unbegründet. Die  Wohnmobilkarawane, die mich gestern genervt hatte, blieb aus. Und mit ihr auch der Wind. Es war auch ein paar Grad wärmer. Alles in allem war das gleich viel angenehmer. Erst recht, als ich auf die kleinere, kaum befahrene Straße Nummer 82 kam, der ich dann fast den ganzen weiteren Tag folgen sollte.

Wie prognostiziert lichteten sich auch die anfangs noch recht dichten Wolken bald, und es setzte sich mehr und mehr die Sonne durch. Am späteren Nachmittag war es bereits wolkenlos, und das sollte auch so bleiben.

Obendrein hatte ich Fährenglück und kam gerade rechtzeitig zur zwischendurch nötigen Überfahrt von Fiskebøl nach Melbu. Dabei traf ich auch Johannes, der am 6. Mai, einen Tag vor mir, von seiner Haustür in der Nähe von Melk, Richtung Nordkap aufgebrochen ist. Und es war wie jedes Mal, wenn ich unterwegs jemand getroffen habe: wir unterhielten uns kurz, tauschten unsere Erfahrungen aus, fuhren ein paar Kilometer gemeinsam, und dann trennten sich unsere Wege wieder.

Bis dahin hatte ich keinen wirklichen Plan für den weiteren Tag. Ich hatte eingekauft, um mir Essen kochen zu können. Irgendetwas würde sich schon ergeben. Andenes lag noch so weit weg, dass ich es noch gar nicht in Betracht zog, bis dorthin zu fahren.

Ich genoss einfach nur das Panorama, die beeindruckende Landschaft, und fuhr weiter.

Irgendwann, schon nach Skagen, begann ich zu überlegen, wie weit ich noch fahren sollte. Und sah nach, wann die Fähren von Andenes nach Gryllefjord ablegen. Was etwas ernüchternd war. Denn es gab eine Fähre um 8:45, danach erst wieder um 13:00 und um 17:00. Fahrzeit jeweils zwei Stunden.

Ich hatte die Wahl: entweder irgendwo an einem netten Platz mein Zelt aufschlagen und die 13:00 Fähre nehmen. Oder die Nacht, die es hier ohnehin nicht gab, durchzufahren und mit der ersten Fähre zu fahren.

Danach kam bald Wind auf, die Sonne schien zwar weiterhin, stand aber so tief, dass sie keine Kraft mehr hatte. Es wurde wieder richtig kalt. Und ich hatte keine Lust, im Wind und in der Kälte zu übernachten.

Also fuhr ich weiter, denn solange ich fahren konnte, würde mir nicht kalt werden. Es wurde Mitternacht und nach Mitternacht, die Sonne schien weiterhin, der Himmel war strahlend blau und irgendwie wurde ich dadurch nichteinmal müde. Nur der anhaltende kalte Wind war ein bisschen ein Spielverderber.

Es ist schon etwas befremdlich in der Mitternachtssonne auf den Lofoten. Außer mir war kein Mensch unterwegs. Alle schliefen. Die Vögel, Schafe und Kühe an denen ich vorbeikam, waren jedoch wach. Das Land gehörte jetzt ihnen. Und mir.

Und schließlich, um etwa 5 Uhr morgens, war ich in Andenes. Am Fährhafen gab es eine Bank, auf der ich meine Küche aufbaute und Essen kochte. War das jetzt Mittagessen, Abendessen oder Frühstück? Irgendwie  alles. Dann stellte ich meinen Wecker auf 8:20, setzte meine Schlafmaske auf und schlief ein.

TCR #52 Tromsø

Freitag, 27. Juni. Kaiserwetter heute im norwegischen Nordland. Den ganzen Tag lang war nicht eine Wolke am Himmel. Dazu gab es angenehm milde Temperaturen von knapp 20 Grad und es war zudem nahezu windstill.

Es war ein Vergnügen, bei solchen Bedingungen durch das Land zu rollen. Nur zwei Dinge trübten die Freude etwas. Das war einerseits meine eigene Müdigkeit und andererseits das herausfordernde Streckenprofil.

Gegen die Müdigkeit gibt es Kaffee. Und daher nuzte ich gleich nachdem ich in Gryllefjorden von der Fähre gegangen war die Gelegenheit, um für Frühstück einzukaufen. Auf der Satellitenkarte hatte ich einen kleinen Badesee an der Ortsausfahrt entdeckt. Dorthin fuhr ich dann und machte es mir gemütlich.

Am Badesee bei Grillefjorden.

Ich ließ mir Zeit um mich zu stärken denn viel Schlaf hatte ich schließlich nicht bekommen. Es war schon gegen Mittag, als ich dann wieder losfuhr. Im Grunde wäre ich fast lieber an dem See geblieben und wieder einmal einen Tag Pause gemacht. Doch ich musste weiter.  Ein Ruhetag war jetzt nicht möglich. Und schließlich war ich gerade die Nacht durchgefahren, um zur Fähre zu kommen. Da wäre es Quatsch gewesen, danach nicht weiterzufahren.

Es gjng jedoch gleich einmal knackjg zur Sache. Mit einer fordernden Auffahrt zu einem Aussichtspunkt auf den Fjord und das Städtchen Gryllefjord.

Ausblick auf Gryllefjord

Über die nächsten Stunden blieb der Streckenverlauf ähnlich. Es gab immer wieder steile Anstiege, an deren Ende ich mit großartigen Aussichten für die Mühen belohnt wurde.

Hamnveien im norwegischen Skaland

Die Landschaft war überwältigend schön. Und erst recht freute mich, dass es kaum Verkehr gab.

Bergpanorama bei Fylkesvei

Die Straße verlief kurvenreich bergauf und bergab, oft am Wasser entlang. Wobei ich oft nicht sagen konnte, ob ich gerade an einem Bergsee oder.an einem Fjord war. Beide waren immer kristallklar und schimmerten blau im Sonnenlicht.

Ebenfalls bei Filkesvei

Zwischendurch überlegte ich, wie weit ich heute kommen könnte. Das hing wieder von einer Fähre ab, und zwar von der ab Botnhamn. Wenn es mir gelingen würde, die um 20:00 Uhr zu erreichen, könnte ich zumindest in die Nähe von Tromsø kommen.

Ich musste nach Tromsø, denn mein Hintereifen – der schon der dritte auf meiner Reise war – wa bereits stark abgefahren. Hatte praktisch kein Profil mehr. Und Tromsø ist irgendwie der letzte Außenepunkt der Zivilisation. Jedenfalls für lange Zeit die letzte Möglichkeit für einen Reifenwechsel.

Am Fährhafen Bornhamn

Ich war rechtzeitig gegen 19:30 da. Am Hafen nutzte ich die Gelegenheit für einen Snack. Dann konnte ich mein Rad auch schon auf die Fähre schieben – die übrigens wie alle Fähren in Norwegen für Radfahrer gratis war – und machte eine Power-Nap.

So nett werden Autofahrer in Norwegen daran erinnert, auf Radfahrer aufzupassen und Rücksicht zu nehmen.

Tromsø war danach noch 55 Kilometer entfernt. Zu weit, um noch hinzufahren, dachte ich. Also plante ich, noch 20, vielleicht 30 Kilometer zu fahren und mir dann einen schönen Platz für mein Zelt zu suchen.

Bei Kilometer 20 kam ich jedoch nochmals in die Berge, musste über einen weiteren kleinen Pass fahren. In den Bergen war es spürbar kälter und windig. Da wollte ich nicht zelten.

Schneebedeckte Berge bei Tromsø

Nach der Abfahrt waren es kejne 20 Kilometer mehr nach Tromsø. Ich begann nach einem Zeltplatz Ausschau zu halten. Doch hier war es schon dichter besiedelt. Als ich dann endlich eine scheinbar passende Stelle gefunden hatte, versank ich dort mit den Schuhen bis zu den Knöcheln im Morast.

Auch damit hatte ich nicht gerechnet. Wo der Boden nicht speziell angelegt und gepflegt war, da schien er gerade erst nach dem Winter aufgetaut oder vom vielen Regen sumpfig zu sein.

Ich hatte keine Lust mehr auf Zelten. Und obendrein auch noch nasse Füße bekommen. Also holte ich mein Handy heraus und buchte ein Zimmer in Tromsø.

Nur noch 14 Kilometer. Dann endlich richtig schlafen. In einem warmen, weichen Bett. Das war einfach zu verlockend.

TCR #53 Entspannt nach Lyngen

Samstag, 28. Juni. Ich habe selten Probleme mit Krämpfen. Während der bereits über 50 Tage dauernden Reise waren die bisher auch noch nie ein Thema.

Heute Nacht in Tromsø bin ich jedoch mehrmals mit Krämpfen in den Beinen aufgewacht und es dauerte jeweils etliche lange Minuten, bis sich meine Muskeln wieder entspannt hatten und ich mich wieder richtig bewegen konnte. Es war der Zeit, einen Gang zurückzuschalten.

Selbst auferlegtes Langsamtreten

Die Anstrengungen haben an meinem Körper ihre Spuren hinterlassen. Dazu kommt, dass ich gestern zu wenig gegessen und auch zu wenig getrunken habe. Es ist zwar schwierig, als Radreisender in Norwegen die Ernährung ausgewogen zu halten. Aber im Grunde wüsste ich, was zu tun wäre. Und das Trinken sollte überhaupt kein Problem sein, denn Wasser gibt es hier wahrlich genug.

Jedenfalls beschloss ich, mein Zimmer so lange wie möglich zu nutzen, um möglichst viel Schlaf nachzuholen. Es war dann bereits nach Mittag. Bevor ich mich wieder auf den Weg machen konnte, musste ich noch wegen eines neuen Hinterreifens zu „ski & sykkel“ und unbedingt noch Essen einkaufen. Es war schon wieder Samstag.

Kaffee am Tromsøya Strand

Zum langsamen Start in den Tag passten dann auch noch ein Kaffee am Strand und eine Stadtrundfahrt durch Tromsø, das auf einer eigenen kleinen Insel, der Tromsøya, liegt.

In Tromsø hätte es noch einiges zu besichtigen gegeben. Das Polarmuseum zur Geschichte des Nordpols, unter anderem mit der Ausrüstung des Polarforschers Roald Amundsen. Oder die Mack-Brauerei, die angeblich nördlichste Brauerei der Welt. So viel Zeit hatte ich dann aber auch nicht. Und vor allem etwas Anderes vor.

Weiter ging es durch Norwegenss faszinierende Fjordlandschaft Richtung Nordkap. Nur ein kurzes Stück musste ich dabei die E8 nehmen, sonst gab es durchwegs schöne, kleine Straßen und, soba.

Flach war es nur zu Beginn, in der Nähe von Tromsø.

Ich hatte mich für den Tag gar nicht so genau mit der Strecke beschäftigt. Was gut tat, weil ich einfach dahinfahren konnte.

Es galt dabei auch wieder einige Höhenmeter zu machen. Es war der nächste Teil der bereits gewohnten Berg- und Talfahrt durch Norwegen. Berge, immer noch schneebedeckte Berge, gibt es hier im Norden des Landss überall.

In Breivikeidet erreichte ich die Fähre just-in-time. Alles war gut.

In Lyngen angekommen machte ich jedoch einen Fehler. Ich hatte beim Lesen des Fährplans übersehen, dass an Samstagen die letzte Fähre bereits um 20:00 Uhr und nicht um 21:00 fährt.

Weil ich noch schnell in einen Supermarkt ging, um ein Cola und einen Snack zu kaufen endete meine Fahrt für den Tag hier, nach knapp 100 Kilometern. Auch gut. Die Beine freuen sich. Eine längere Pause. Weiterfahrt erst morgen um 9:15 möglich.

TCR #54 Arktis, Fjorde und Berge

Sonntag, 29. Juni. Das war es wohl vorerst mit dem Schönwetter im norwegischen Nordland. Über Nacht hat sich wieder Regen breit gemacht und die Wolken hingen schwer über dem Fjordland und den Bergen.

Fähre in Oderdalen am Lyngenfjord

Das war zwar etwas schade, aber schließlich bin ich nördlich des Polarkreises, in der Arktis und nicht in der Südsee. Auch dass es hier sobald die Sonne hinter Wolken ist oder tiefer steht ziemlich frisch wird und ich beim Radfahren fünf Schichten anlegen muss, darf mich nicht wundern. Meterologisch gesehen ist der arktische Raum nämlich derjenige, in dem auch im Hochsommer, im Juli, die Durchschnittstemperatur unter 10 Grad bleibt.

In der Djupvik Bukta

Das hatte ich in der Klarheit allerdings nicht bedacht, als ich mir mein Zelt und meinen Schlafsack für die Expedition in den Norden gekauft habe. Nachts werden die empfohlenen Temperaturgrenzen meiner Ausrüstung inzwischen klar unterschritten. Ich versuche daher, möglichst immer ein warmes Zimmer für die Nacht zu finden.

Heute befindet sich das in einem kleinen Haus an der völlig unbedeutenden, nicht asfaltierten Straße Fv361. Und ich bin froh darüber. Zwei weitere Bikepacker aus der Slowakei haben den Weg hierhehr gefunden. Ich habe mit ihnen ausgemacht, dass wir morgen gemeinsam losfahren, um die vermutlich vorletzte Etappe zum Nordkap in Angriff zu nehmen.

Katie am Kvænangsfjellet

Um zu dem Haus zu gelangen muss man zuvor noch eine Bergprüfung bestehen und den Kvænangsfjellet überqueren, dessen Passhöhe auf 401 Metern liegt. Was wieder einmal nicht nach sonderlich viel klingt, aber nachdem der Anszieg beim Fjord auf Meereshöhe beginnt, durchaus in die Beine geht.

Oben grasen Rentiere und es ist fast noch Winter, der Schnee liegt an manchen Stellen noch meterhoch. Das begeistert auch drei Kuwaitis, die mit ihrem Wohnmobil auf den Berg gefahren sind, mir applaudieren und einen Drink anbieten. Was ich dankend ablehne.

Schneewand am Kvænangsfjellet

Die restliche Fahrt des Tages verlief zumeist an der E6, die hier im Norden die einzige durchgängige Straße ist. Und sich, ähnlich eines Flusses in der Nähe des Ursprungs, zumeist nur noch als einfaches Band durch das Land zieht.

am Kvænangsfjellet

Der Verkehr hielt sich – so wie der Regen – dann auch in Grenzen. Vielleicht weil Sonntag war. Vielleicht aber auch, weil sich doch nichr so viele hierher verlieren. In diese Ecke. 350 Kilometer vom Nordkapp entfernt.

TCR #55 Durch die Tundra nach Olderfjord

Montag, 30. Juni. Ich habe mein Nachtlager an der Fjordküste in Olderfjord aufgeschlagen. Ein Lagerfeuer angefacht, mein Zelt aufgeschlagen und Essen gekocht. Jetzt genieße ich die Stille des Ortes, an dem nur das Rauschen des kleinen Flusses nebenan und gelegentliches Vogelgezwitscher zu hören ist.

Nachtlager mit Lagerfeuer an der Fjordküste

Hierher gekommen bin ich heute mit Unterstützung des von Miro und Sami, den beiden Bikepackern aus Bratislava, die gestern Nacht im gleichen Quartier wie ich übernachtet haben. Die ersten 90 Kilometer des heutigen Tages vergingen während der gemeinsamen Fahrt im Eiltempo. Es war schön, nach den vielen langen und oft auch einsamen Fahrten in den Norden wieder einmal Gesellschaft zu haben. Und Windschatten! Ich hatte schon fast vergessen, mit welcher Leichtigkeit man damit dahinsegeln kann.

Im Windschatten des slowakischen Expresszugs

Nach 90 Kilometern gemeinsamer Fahrt entlang der Fjordküste trennten sich unsere Wege kurz vor Alta wieder.

Die Fahrt begann damit quasi ganz vom Neuen. Denn ab Alta veränderte sich auch das Gelände rapide. Es ging wieder hinauf in die Berge, auf knapp 400 Meter Seehöhe zur Schneegrenze. Die nächsten rund 100 Kilometer fuhr ich durch die norwegische Tundra.

Sennalandet, norwegische Tundra

Es ist eine Landschaft, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Eine hügelige, in den Sommermonaten morastige Steppe mit kargem Graßbewuchs. Die einzigen größeren Pflanzen sind Birken, die hier aber auch eine maximale Wuchshöhe von nur zwei Metern erreichen. Durchschnitten wird die Landschaft, in der Rentierherden grasen und umherziehen, von der E6, die als Norwegens Nord-Süd-Route hier die einzige asfaltierte Straße ist.

Die E6 in der Tundra im Sennalandet

Entlang dieser Zivilisationsschneise, auf der viele Autos und leider auch schwere LKW viel zu schnell unterwegs sind, gibt es gelegentlich einfachste Holzhäuser. Einen Ort, der diese Bezeichnung verdient hätte, sucht man vergeblich. Die einzigen wenigen Geschäfte sind Läden, in denen Rentierprodukte aller Art verkauft werden.

Rentiershop im Sennalandet

Wer etwas Anderes benötigt, muss eben nach Alta an dem einen oder nach Skaigen an dem anderen Ende der Steppenlandschaft.

Katie im Sennalandet

Sie zu durchqueren dauerte eine Weile und war ein beeindruckendes, aber auch forderndes Erlebnis. Die zahlreichen kleinen Anstiege und der hartnäckige Gegenwind waren ein scharfer Kontrast zur ersten Tageshälfte mit Miro und Sami.

Nach gefühlt zu langer Zeit hatte ich aber schließlich entlang der E6 die Tundra durchquert und ich kam am anderen Ende wieder an die Fjordküste.

Nur noch ca. 135 Kilometer zum Nordkapp. Das Ziel meiner Reise ist zum Greifen nahe.

TCR #56 Am Nordkap

Am Nordkap

Dienstag, 1. Juli. Vor genau 8 Wochen bin ich in Malaga in mein Transkontinental-Abenteuer gsstartet. Heute, nach 56 Tagen Fahrt, 7241 Kilometern, 65.000 Höhenmetern, zahlreichen Reifenpannen und sonstigen Missgeschicken bin ich am Nordkap angekommen.

Zum Finale, das mir nochmals alles abverlangte, hatte ich Traumwetter. Besser geht hier wohl kaum. Und es war nocheinmal enorm anstrengend.

Am Morgen habe ich mir am Zeltlagerplatz an der Küste richtg Zeit gelassen. Die Stille und Ruhe dort genossen und Kraft getankt. Richtig viel gegessen, ehe ich mein Lager wieder abbaute, packte und mich auf den Weg machte.

Energie für den Weg: Omelette aus 6 Eiern, Käse und Rinderfilet. Dazu Baguette.

Kurz darauf kam ich an ein Straßenschild. „Nordkapp 129“. Nur noch lächerliche, kleine 129 Kilometer.

Die ersten 50, 60 Kilometer waren ein Geschenk. Die Straße und die Landschaft ein Traum. Das Wetter obendrein. Ich fühlte mich wie ein Profi am letzten Tag der Tour de France. Etappe 56. Alles ist entschieden.  Jetzt nur noch die Genussfahrt und dann der Zielsprint zum Globus am Nordkap, meinem „Arc de Triomphe“. Immer wieder hielt ich an, um Fotos zu machen. Alles festhalten. Soweit das mit Bildern möglich ist. Die Augenblicke und Momente genießen.

Dann kam ich zum Nordkap-Tunnel. Ein Angstgegner der meisten Bikepacker, die zum Kap wollen. Dieses liegt nämlich auf der Insel Magerøya. Bis 1997 gab es eine Fähre als Verbindung zwischen dem Festland und der Insel. Wegen der schwierigen Witterungsbedingungen und der oft rauen See wurde der Tunnel gegraben und die Fährverbindung eingestellt. Alle, auch Radfahrer müssen nun durch den Tunnel, wenn sie zum Nordkap wollen.

Das Südportal des Nordkap-Tunnels

Ich wusste schon viel über den Tunnel und wie ich ihn am besten fahren kann. Auch, weil ich in Norwegen schon einige lange Tunnel durchfahren hatte.

  • Der Nordkap Tunnel ist knapp 7 Kilometer lang.
  • Er verläuft rund 220 Meter unter dem Meer.
  • Die ersten 2,5 km geht es mit ca. 9% bergab, dann 2,5 km flach und danach wieder 2,5 km mit 9,5%  Steigung bergauf.
  • Im Inneren ist es eiskalt. Es kann nebelig sein und der Straßenbelag eisig. Der Belag ist zudem nicht mehr der beste.
  • Es ist sehr laut im Tunnel. Besonders, wenn sich ein LKW oder ein Reisebus nähert. Egal von welcher Richtung.
  • Es gibt an beiden Seiten schmale  Gehwege, ca. einen halben Meter breit. Die sind allerdings schon schwer beschädigt und sollten nur im Notfall zum Schieben genutzt werden. Darauf zu fahren ist gefährlich.

Nach allem was ich wusste hatte ich einen Plan, um die Röhre möglichst gelassen durchfahren zu können.

  1. Richtig warm anziehen.
  2. Ohropax in die Ohren.
  3. Warnweste anlegen.
  4. Alle 3 Rücklichter und beide Vorderlichter einschalten.
  5. Nicht drängeln lassen. Nicht rechts halten, sondern eher in der Fahrbahnmitte bleiben, damit überholende Autos auf die Gegenfahrbahn wechseln müssen  und eben nicht überholen können, wenn es Gegenverkehr gibt. So würde ich auch nicht nach rechts abgedrängt werden.

Es hat funktioniert. Natürlich war das Stück bergauf mit dem schweren Reiserad wieder eine Herausforderung. Aber ich konnte konzentriert und fokussiert bleiben und den Tunnel stressfrei durchfahren.

Magerøya liegt nördlich der Baumgrenze. Auf der Insel wachsen höchstens noch Sträucher. Sie ist zudem arg zerklüftet, felsig, bergig und windig. Eine attraktive Fjordlandschaft gibt es nur im Süden, bis Honnigsvåg. Dort hatte ich auch ein Zimmer für die Nacht gebucht.

Ab Honnjgsvåg ist Schluss mit anmutiger Landschaft. Es geht ins Land hinein. Und je weiter man ins Landesinnere und Richtung Nordkap kommt, desto karger, rauer und unwirtlicher wird die Landschaft. Sie ist ähnlich der Tundra, die ich am Tag davor durchfahren habe. Nur noch felsiger und bergiger.

Will man mit dem Rad ans Nordkap, so muss man sich das hart erarbeiten. Die 30 Kilometer ab Honnigsvãg sind mit etlichen Höhenmetern und Rampen gespickt. Dazu kommt der häufig sehr starke und böige Wind, gegen den man richtig ankämpfen muss und zudem obacht geben muss, nicht von der Straße geweht zu werden. Das war dann besonders bei der Fahrt vom Nordkap zurück nach Honnigsvåg, die als Krönung auch noch vor mir lag, eine Herausforderung.

Wenn man allen Rampen und dem Wind erfolgreich standgehalten hat, warten am Ziel magische Momente. Erst recht, wenn man wie ich Glück hat und das Kap und den Globus als Monument in der tiefstehenden Mitternachtssonne erleben kann.

Am Nordkap

Oben angekommen tummeln sich dort viele Touristen. Es gibt einen großen Parkplatz für Busse, Wohnmobile, Autos und Motorräder.

Ich schiebe Katie zum Globus. Das erregt Interesse. Ich muss einige Male erzählen, woher ich komme, was ich alles am Rad verstaut habe und wie meine Reise verlaufen ist. Manche wollen mich fotografieren, einige ein Selfie mit mir.

Katie beim Nordkap-Globus

Es war schön. Und hart. Ich bin oft an meine Grenzen gekommen und bis zur Erschöpfung gefahren. Wer meine Blog-Einträge liest, weiß das.

Glücklich am Ziel

Doch meine Reise, mein Abenteuer ist noch nicht zu Ende. Ich muss noch die 30 Kilometer zurück nach Honnigsvãg zum Arctic Hotel. Und dann mit Bus, Bahn und Rad zurück nach Hause. Das ist noch ein weiter Weg.

So schön und befriedigend es ist, dass ich die Reise machen konnte und das selbst gesteckte Ziel erreicht habe: Nach acht Wochen freue ich mich am meisten auf zuhause. Auf meine Familie, meine Freunde. Auf die vertraute Umgebung. Auf den Sommer, die Espressomaschine, frische Wäsche, an der nicht der Duft von zwei Monaten Packtaschen haftet … die vielen Kleinigkeiten und Annehmlichkeiten des Alltags, auf die man während einer so langen Bikepacking-Tour verzichtet. Die man gegen ein Erlebnis eintauscht, dss den Tausch mehr als wert ist. Einem Abenteuer für das Leben.

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Eine Antwort zu “TCR – Blog | Woche 8”

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