TCR – Blog | Woche 2


Die zweite Woche des TCR. Von der Sierra Brava, über Madrid, an die spanische Nordatlantik Küste.

TCR #8 Von der Extremadura in die La Mancha

Mittwoch, 14. Mai. Was für ein Tag! Ich wurde regelrecht überwältigt von den grandiosen Eindrücken.

Nach einem typisch spanischen Frühstück (Kaffee und ein getoastetes Brötchen) im ebenso typisch spanischen Hostal Restorante Cerezo in Guadalupe – wo ich am Abend zuvor ein 3-Gänge-Menü um schlanke 15 € bekommen hatte, sah ich bereits nach wenigen Kurven ein erstes Straßenschild mit der Entfernung nach Madrid.

„Nur“ noch 224 km. Mit dem Aero-Rennrad wäre ich am Abend dort. Mit der schwer beladenen KATIE bedeutete das aber – so viel war mir inzwischen klar – dass ich die Hauptstadt Spaniens erst am nächsten Tag erreichen würde.

Und wenn schon. Fast jeder Kilometer des heutigen Tages hätte gerne doppelt so lang sein können. Madrid kann da noch warten.

Mein Weg führte über die wunderschöne und kaum befahrene EX102 zum Mirador del Estrecho de la Pena Amarilla und dann weiter einen kleinen Pass hoch, den Puerto de San Vicente, der auch gleichzeitig die Grenze zur La Mancha ist. Ich hatte die Extremadura durchquert. Yeah, wieder ein kleines Häkchen in der langen Liste.

Einzig die Gewitterwolken, die sich mehr und mehr verdichteten, bereiteten mir etwas Sorge.

Die La Mancha empfängt mich mit einem Gewitter.

Noch war ich auf der Sonnenseite, aber letztlich holte mich in der Mancha der Regen dann doch ein. Ich musste zum ersten Mal während meiner Tour die Rahmentasche öffnen, um das Regengewand herauszuholen.

An dieser Stelle: Es lohnt sich, beim. Regengewand in beste Qualität zu investieren. Im Grunde gilt das dür die ganze Ausrüstung. Alles Andere bringt überhaupt nichts.

Aber weil ich gerade beim Regengewand bin: in minderwertigen Klamotten schwitzt man unendlich und ist nach fünf Minuten Fahrt im Regen außerdem erst recht komplett durchnässt ist und fängt zu frieren an. Und das Regengewand muss auch immer sofort griffbereit sein. Ohne dass man es erst suchen oder vielleicht auch noch eine andere Tasche ausräumen muss. Und dann schon alles nass ist, bevor man in die Regenjacke geschlüpft ist. Daher ist auch in meiner Rahmentasche nur das Regengewand und sonst nichts.

Regen ist eine Sache, Gewitter eine andere. Wenn es ringsum blitzt und donnert, wird es auch Mit dem besten Gewand Zeit, einen Unterstand zu suchen.

Ich hatte Glück. Keine fünf Kilometer nachdem ich mein Regengewand angezogen hatte, zweigte meine Route auf die Via Verde de la Jara ab. Eine weiter aufgegebene Bahnstrecke, die jetzt nur noch für Wanderer und Radfahrer da ist. Was für ein Luxus!

Die herrliche Trasse ließ mich die nächsten 50 Kilometer lang jubeln. Und gleich zu Beginn der Strecke war der erste von zahlreichen Tunnels. Hier fand ich Unterschlupf und konnte in Ruhe warten, bis das Gewitter abgezogen war.

Ich nutze die Zeit, um zu essen und wollte mir auch einen Kaffee kochen. Leider musste ich aber feststellen, dass meine Zündhölzer feucht und mein Feuerzeug kaputt war, was mich ein wenig ärgerte. Oder besser gesagt: ich ärgerte mich über mich selbst. Warum hatte ich weder Outdoor-Zündhölzer noch ein Sturmfeuerzeug eingepackt?

Der Ärger dauerte aber nicht lange an, denn immerhin konnte ich etwas essen. Das Gewitter zog auch bald ab, der Regen hörte auf und damit hieß es „Bahn frei“ für stundenlangen Genuss. Auf den nächsten 52 Kilometern sollte mir wieder einmal kein Mensch begegnen.

Als ich in Calera y Chozas wieder auf die Straße kam, war ich komplett gefasst von den Eindrücken. Ich freute mich darüber, dass ich im Vorfeld der Reise so viel Zeit in die Routenplanung gesteckt hatte, um diesen und im Grunde alle anderen Wege seit der Abfahrt aus Tarifa zu finden und einzuplanen. Auch wenn die Fahrt dadurch länger dauert – das Erlebnis wiegt weit mehr.

Der Rest des Tages war unspektakulär. Ich fuhr die Straße weiter bis zum Ort Talavera de la Reina, wo ich endlich den schon länger ersehnten Kaffee trinken konnt, Essen und Trinken – und ein neues Feuerzeug  – einkaufen konnte und fuhr anschließend aus der Stadt hinaus, um mir einen Platz zum Übernachten zu suchen. Das Glück war mir auch dabei beschieden und führte mich zu einem einsamen Grillplatz am Rio Tajo, wo ich Abendessen kochen und mein Zelt aufschlagen konnte.

Abendessen: Thunfisch-Omelette
Ein Grillplatz am Tajo für mich und Katie.

Und wo jetzt die Nachtigallen für mich singen. Morgen geht meine „Vuelta“ weiter, nach Madrid.

TCR #9 Hola, Madrid!

Donnerstag, 13. Mai. Es kann nicht jeder Tag ein goldener sein. Der heutige war ein eher mühsamer. Dabei war der Start recht nett. Ich habe mir Kaffee und Porridge zum Frühstück gekocht und die Ruhe am Rio Tajo genossen. Danach habe ich das Nachtlager abgebaut – schön langsam stellt sich auch dabei Routine ein, es dauert allerdings immer noch etwas lange, bis alle Utensilien wieder eingepackt und am Rad verstaut sind. Anschließend habe ich KATIE noch ein kleines Service gegönnt und dabei auch den seit Sevilla aus der Spur laufenden Vorderreifen ordnungsgemäß montiert.

Und ich packte auch meinen Müll sorgfältig ein. Ich habe mir nämlich selbst ein striktes „Zero-Littering“ verordnet. Zurückbleiben darf dabei grundsätzlich nur, was biologisch abbaubar ist. Alles Andere muss ordentlich entsorgt werden.

Es liegt schon viel zu viel Müll in der Landschaft, weil Dinge einfach weggeworfen werden. Grauenhaft. Wo es doch gar kein „wegwerfen“ gibt. Schon der Begriff ist falsch. Denn wenn man etwas „wegwirft“ ist es nämlich nicht weg, sondern bleibt es an dem Ort, an den man es hingetan hat, nur man selbst bewegt sich davon fort. Es ist eines meiner Ziele, bei meiner Fahrt möglichst keine Spuren zu hinterlassen.

Aber zurück Zum heutigen Tag. Mühsam gemacht hat ihn vor allem der Wind, der mir permanent ins Gesicht blies. Und das in einer wenig aufregenden Agrarlandschaft mit kilometerlangen Feldern, durch die sich meine Route bis schnurgerade bis zu den Wolken am Horizont zog. Mit dazwischengestreuten Kreisverkehren.

Auch die gelegentlichen Siedlungen, oft halb verfallene und vergessene, fast menschenleere Ortschaften, in denen man längst nicht mehr weiß, was das Wort „Aufschwung“ bedeutet, trugen wenig zur Stimmungsaufhellung bei.

Auf Dauer war das ziemlich zermürbend. Ich bekam alle möglichen Zustände, Hunger und Durst quälten mich, obwohl ich ständig aß und trank, mein Nacken schmerzte und ich musste  immer wieder Pausen einlegen. Ich steckte in einem richtigen Loch.

Ein Kaffee und ein Cola in einer der wenigen am Weg liegen geöffneten Bars halfen mir, den schlimmsten Hänger zu überwinden.

Bis auch wieder Gewitterwolken aufzogen, der Himmel pechschwarz wurde und kalter Wind aufkam. Ich war noch ungefähr 40 Kilometer von meinem Ziel – der Kathedrale von Madrid – entfernt und drauf und dran, es für den Tag gut sein zu lassen. Zumal meine Wetter-App meldete, dass es in Madrid starke Gewitter gäbe.

Doch genau in diesem Moment packte mich der Ehrgeiz. Ich war schließlich schon öfter einmal in den Regen gekommen, hatte auch die kalte Regenschlacht beim Ötztaler Radmarathon 2018 durchgehalten. Da würde ich doch auch einen spanischen Regenguss überstehen. Falls überhaupt einer käme.

Also holte ich meine Regenjacke und den Helm hervor und zog sie über. Damit war ich schon einmal vor dem kalten Wind geschützt. Dann aß ich noch meine letzten Rettungsringe – eine Handvoll Gummibärchen – und fuhr los, fest entschlossen, heute noch nach Madrid zu fahren, mir dort ein Zimmer zu nehmen und zu Abend zu essen. Ob mich der Regen erwischt oder auch nicht.

Das löste neue Energien in mir aus. Energien, die ich an diesem Tag bis dahin nicht aufbringen konnte. Ich fuhr ein Wettrennen gegen den Regen und das Gewitter. Und ich gewann.

Ich kam in Madrid an, ohne nass geworden zu sein. Und sogar die Sonne ließ sich wieder blicken. Für die Fahrt ins Zentrum, zur Katethrale, hätte es sicher einfachere und schnellere Wege gegeben. Doch letztlich war das egal. Ich fuhr zur Katethrale hoch, checkte mir dort schnell ein Zimmer in der Altstadt und zur heißen Dusche und dem weichen Bett gab es dann auch noch ein warmes Abendessen. Was will man mehr?

Sidestory: Ohne es beim Planen zu wissen war ich die letzten zwei Tage am alten Pilgerweg „Camino Real de Guadalupe“ unterwegs, der von Guadalupe nach Madrid führt. Ich bin jetzt also auch ein Fahrradpilger. Na, wenn das kein gutes Omen ist …

Der Camino Real de Guadalupe.

TCR #10 Como ir al norte?

Freitag, 16. Mai. Madrid. Wecker um 7:30, Kaffee und Porridge im Hotelzimmer kochen (mit dem Wasserkocher natürlich … . Restfeuchte aus dem Radgewand fönen. Gepäck wieder am Rad verstauen. Nochmal mit zuhause telefonieren. Und los geht’s wieder.

Ja, sicher. Die Stadt und ihre Prachtgebäude sind beeindruckend. Und vor allem auch groß. Wenn ich wieder einmal hierher komme, muss ich mir mehr Zeit nehmen. Vielleicht doch den Prado besichtigen und ein royales Boccadillo mit frittiertem Tintenfisch essen. Heute wollte ich aber schauen, dass ich rasch aus der Stadt und wieder Richtung Norden komme. Aber nicht ohne vorher zumindest noch zwei Goodies in einer Pasticceria zu kaufen. Kleines Glück für den Weg.

Diesen zu finden ist normalerweise kein Problem, denn die Route ist auf meinem Garmin gespeichert, und der ist als Fahrrad-Navi grundsätzlich sehr souverän.

So finde ich auch schnell den Weg zum Fluss Manzanares, an dem entlang ein Geh- und Radweg längs durch die Stadt führt. Zur Playa de Madrid, einer überdimensionalen Freizeit- und Spottanlage. Etliche Kilometer begleitet die Playa den Fluss. Es gibt Bäder, Golfplätze, Tennisanlagen – whatever.

Dead end am Playa de Madrid

Ich folge dem Pfad und lande plötzlich in einer Sackgasse. In einer Badeanlage, wo offensichtlich schon vor einigen Jahren Badeschluss war.

Der Weg nach Norden endet hier. Die Köstlichkeiten aus der Pasticceria schmecken dennoch vorzüglich. Ich machee mir keine großen Gedanken und genieße.

An diesem Teil der Playa war schon längst Badeschluss – und auch für mich war der Weg hier zu Ende.

Dann versuche ich, einen anderen Weg zu finden. Ich treffe eine Gruppe Radfahrer, die aber auch keine Ahnung hat, wie man von hier aus weiterkommt.

Eine verheißungsvolle Straße führt Richtung Norden. Ich folge ihr und lande an einem von einem Soldaten bewachten Tor, der mir erklärt, dass ich hier nicht weiter dürfe.

Also wieder zurück. Nächster Versuch. Etwas umständlich gelange zu einem Radweg Richtung Norden, auf dem zahlreiche Radfahrer unterwegs sind. Er verläuft parallel zu der von mir geplanten Route. Das muss es sein! Vamos, Katie!

Doch leider endet auch dieser Weg nach einigen Kilometern an einem bewachten Zaun. Ist das wie aus dem Tennessee Williams Stück am Ende gar der Fluch des Camino Real, aus dem es kein Entkommen gibt?

Cerrado – kein Weiterkommen für Katie und mich.

Ich frage eine Gruppe Rennradfahrer, wie man denn von hier aus nach Norden kommt und werde belehrt, dass es hier keinen Weg gäbe. Die Straßen, die mein Garmin anzeigt, existieren zwar. Aber Richtung Norden ist alles militärisches Sperrgebiet, und das ist für Normalsterbliche nicht passierbar.

Die von der schwer bepackten Katie beeindruckten Radfahrer schlagen vor, mich zu einer Straße zu begleiten, von der ich Richtung Norden weiterfahren könne.

Meine Spanischkenntnisse sind zwar sehr bescheiden, doch ich kann immerhin verstehen, dass ich von dem Kreisverkehr, an dem wir uns verabschiedeten, rund vier Kilometer weiter bergauf fahren müsse. Nach einer kurzen Abfahrt würde dann eine Brücke kommen, unter der ich durchfahren müsse. Dahinter liege dann ein weiterer Kreisverkehr. Dort müsse ich links abbiegen und würde zu einer schönen, nur für Radfahrer zugänglichen Radroute nach Norden kommen.

Eine nur für Radfahrer zugängliche Route? Ich dachte an einen weiteren Corredor Verde und freute mich darauf. Doch es war schließlich genau das Gegenteil von dem, was ich erhofft hatte. Die „Cycling Pista“ führt zwar nach Norden, ist aber ein Begleitweg der stark befahrenen Autobahn M30.

Eine Cycling Pista. „Schön“ ist sehr subjektiv.

Ernsthaft? Das soll ein schöner Radweg sein? Leute … Über 30 Kilometer begleitet der permanent von Rampen durchsetzte Weg die Autobahn. Ich erinnere mich während der Fahrt auch daran, zuhause, bei der Planung der Route, genau aus dem Grund eine Alternative gesucht zu haben. Jetzt war ich doch hier gelandet.

ASs ich endlich in „Tres Cantos“ von der Pista abbiegen kann, bin ich schon ziemlich streichfähig. Und hungrig und durstig. Denn eigentlich hatte ich vor, bei der Ausfahrt aus Madrid gleich einmal bei einem Shop anzuhalten und Proviant einzukaufen. Das war vor fast vier Stunden.

In Tres Cantos kippe ich in den erstbesten Supermarkt, und weil ich schon richtig hungrig bin, kaufe ich Essen für mindestens drei Personen, suche mir ein nettes Plätzchen und schlinge alles runter, was in mich hineinpasst. Um kurz darauf in ein Food-Koma zu kippen. Ich konnte nicht mehr weiter. Musste mich einfach hinlegen und mich ausruhen.

Erholung aus dem Food-Koma.

Es dauert eine ganze Weile, bis ich mich zur Weiterfahrt aufraffen kann. Und die Landschaft wieder als erbauend sehe. Ich befinde mich in den  Ausläufern der Sierra de Guadarrama im Norden von Madrid, auf deren Gipfeln noch Schnee liegt.

Kühe, saftig-grüne Weiden, im Hintergrund Berge. Eigentlich hübsch, wenn man ein Auge dafür hat.

Und wie schon am Vormittag gibt es dann wieder Navigationsschwierigkeiten. Der Grund? Manche Straßen, die ich zuhause am PC gefunden in meine Route eingeplant hatte, gibt es einfach nicht oder sind bloß unfahrbare Wanderwege. Ich musste anhalten und eine Alternative suchen.

Ein kleiner Stausee am Rio Guadalix.

Das klappt ja im Grunde auch ganz gut. Ich muss mich dafür nur an den nächsten auf meiner Route liegenden Ort navigieren lassen.

Zum Tagesabschluss werde ich so noch in einen steilen Anstieg gelenkt, der kurz darauf in eine Schotterstraße mündet. Aber Google Maps und Garmin Routing sind sich einig, dass dies hier der richtige Weg für Radfahrer ist. Alternative? Die Autobahn! Also los. Rein ins Vergnügen!

Wieder einmal Graveln.

Was als feine Gravelpiste beginnt, wird beim nächsten Anstieg leider zu einer unfahrbaren Herausforderung. Der Weg ist vom Regen derart ausgewaschen, dass wieder einmal schieben angesagt ist. Spuren von Mountainbike- und Motocross-Reifen zeigen mir, dass ich nicht gänzlich falsch bin. Und dass es ein Spaß sein kann, hier durchzubrettern. Wenn man  kein schweres Reisegepäck dabei hat.

Wieder einmal schieben.

Ich habe genug und beschließe, mir im nächsten Ort wieder ein Zimmer für die Nacht zu nehmen. Und als ich Stunden später als gedacht in La Cabrera ankomme, befindet sich gleich am Ortsrand. Das 2-Sterne-Hotel / Restaurant Mavi. Die Entscheidung, hier zu bleiben fällt in Sekundenbruchteilen. Duschen, essen, trinken, schlafen. Mehr will ich nicht mehr. Vor allem schlafen. Denn Schlaf ist die beste Erholung. Gute Nacht!

TCR #11 Sierra del norte de Guadalajara

Samstag, 17. Mai. Was für einen Unterschied eine Nacht machen kann. Gestern Abend war ich noch demotiviert, heute schon wieder voll Tatendrang.

Ich versuchte, früher wegzukommen, und weil ich vom Vortag noch Essen übrig hatte, das ich nicht noch länger herumführen wollte, verputzte ich noch im Zimmer drei Packungen griechisches Mango-Joghurt und ein Schoko-Tascherl, holte mir beim Rausgehen in der Cafeteria noch einen Kaffee und los ging es wieder.

Von Cabrera kam ich auf die M127 und die M126, zwei wunderschöne, verkehrsarme Nebenstraßen, die als „Straßen der Burgen und Schlösser“ beschildert waren.

Ein kleines Privatschloss an der M127

An diesem Samstagmorgen waren auch etliche andere Rennradfahrer unterwegs, die mir „Venga! Venga!“ zuriefen und nicht schlecht über mich und mein beladenes Rad staunten. Ansonsten gab es Natur pur.

Dazwischen lagen weit verststeut einzelne Dörfer.

Das Bergdorf Manjiron war für die übrigen Rennradfahrer der Wendepunkt. Hier füllten sie ihre Trinkflaschen am Dorfbrunnen auf, um dann wieder bergab zu rollen.

Einkauf in Manjiron

Ich machte das auch, aber für mich ging es dann noch weiter bergauf. Also nutzte ich die Gelegenheit, um auch gleich noch etwas zu essen und im kleinen Lebensmittelgeschäft von Manjiron zwei frische Bananen und ein Cola zu kaufen. Essen und den Kohlenhydrate-Spiegel immer hoch zu halten ist bei einem Vorhaben wie meinem nämlich überlebenswichtig. Mehr noch als die Dehnungsübungen, die ich möglichst jeden Abend zu machen versuche.

Die Strecke führte direkt in die Sierra Norte del Guadalajara. Und was als hügelige Mittelgebirge begann, wurde am Ende ein richtiges Gebirge mit 2000 Meter hohen Bergen. Der höchste der drei Pässe, die ich heute fahren sollte, lag auf 1792 Meter. Doch davon war ich noch weit entfernt.

Ab Manjiron war ich dann auch nahezu der Einzige, der an diesem Samstag dort unterwegs war. Den ganzen Tag lang sah ich nur eine Handvoll Autos und einige Motorräder. In einem Gebiet, das mir endlos weit erschien.

Die Straße wand sich durch das Gebirge. Orte oder Siedlungen gab es auch keine mehr. Ich musste zwei Pässe, auf 1350 und 1550 Metern Seehöhe passieren.

Dann endete die Straße. Zum dritten Passübergang auf knapp 1800 Meter führte nur noch eine Gravel-Piste. Und das Warnschild bei der Einfahrt ließ nichts Gutes erwarten.

Soll ich es wagen oder nicht? Es gab ohnehin keine Alternative.

Es kam, wie es kommen musste. Zu Beginn war alles problemlos und Spaß.

Spaß am Nachmittag

Dann hieß es wieder schieben. Und als die Straße schließlich wieder fahrbar war, holte ich mir die dritte Reifenpanne meiner Reise.

Von Hey-Ho, Let’s go! …

Warnung: Das kann blöd ausgehen

… zu „Oh no!“ Ein klassischer „Snakebite“.

Reifenpanne #3

Vorausschauend hatte ich in Sevilla gleich zwei neue Ersatzschläuche für die Weiterreise gekauft. Aber irgendwie schon eigenartig. Ich war jetzt jahrelang praktisch ohne Reifenpanne unterwegs gewesen. Und nun schon die dritte in nur gut einer Woche.

Diesmal dauert das Wechseln auch soderlich nicht lange. Man bekommt eben auch Übung… Frisch bereift geht es, danach auch bald wieder auf Asfalt, der dritten Passhöhe entgegen.

Die Luft wird kühler und dünner. Und das Bergpanorama ist eine Wucht.

Sierra del Norte del Guadalajara

Zum Abschluss gibt es als Belohnung noch eine flotte Abfahrt Richtung Riofrio Stausee.

Abfahrt zum Riofrio Stausee. Der Straßenbelag ein Bonus Abenteuer.

Gut durchgerüttelt fahre ich noch weiter in den Ort Riaza, wo ich mich mit Essen eindecke und für die Nacht einmiete. Ich hatte zwar mit dem Gedanken gespielt, am Stausee mein Zelt aufschlagen, aber der Riofrio trägt seinen Namen nicht umsonst. Ein Hotel mit einer Badewanne (was für ein Luxus!!!) war mir dann doch lieber. Ich möchte schließlich morgen wieder weiterfahren.

TCR #12 Großartig in Kastilien Leon

Sontag, 18. Mai. Die Spanier verstehen es zu feiern. Und sie  lieben Fernsehen. Wenn ich unterwegs irgendwo Halt mache, um in einem Café etwas zu trinken, läuft dort mit ziemlicher Sicherheit eine Telenovela.

Als ich gestern Abend in Riaza ankam und im Hotel Plaza (das so heißt, weil es zentral am großen Ortsplatz liegt und nicht mit dem mondänen Plaza Hotel verwechselt werden soll) eincheckte, da war die Party bereits voll im Gange. Man schaute Stierkampf auf Großbildschirmen und bejubelte die Toreros.

Die Plaza von Riaza mit dem Hotel Plaza

Die Party ging dann nahtlos in ein gemeinsames Songcontest-Schauen über und da mein Zimmer genau darüber war, bekam auch ich mit, dass Österreichs JJ gewonnen hat. Gratulation und – weil ich gleich danach las, dass der ORF deshalb einige Millionen braucht: Nein, das denke ich nicht. Nur ein gutes Konzept. Wenn man es nicht schafft, einen Event wie den #ESC gewinnbringend zu veranstalten, dann läuft etwas gehörig falsch.

Als ich dann kurz nach 10:00 auscheckte und an der Theke des Plaza meinen Frühstückskaffee trank, da war das Plaza innen schon wieder gerammelt voll. Man schaute gemeinsam die Papst-Messe aus Rom.

Die Plaza von Riaza

Ich machte mich auf den Weg. Fernsehen ist etwas, das mir seit Beginn meiner Reise noch keine Sekunde abgegangen ist. Ich genieße stattdessen das echte, wirkliche Leben in vollen Zügen.

Der heutige Tag reiht sich ein in die großartigen Tage, die ich – besonders seit der Abfahrt aus Tarif – bisher erleben konnte. Das Wetter perfekt, die Landschaft umwerfend schön und dabei wieder einmal kaum Verkehr.

In Kastilien Leon. Im Hintergrund die Berge der Sierra Norte del Guadalajara, die ich gestern überquert habe.

Seit gestern Abend bin ich in Kastilien Leon unterwegs. Die Passhöhe auf 1792 Metern markierte die Grenze zur La Mancha. Rückblickend haben der Mancha nur die Windmühlen gefehlt, die ich dort auch noch erwartet hatte. Außer einigen Ruinen bekam ich aber nichts zu sehen, das an eine Windmühle erinnert hätte.

Kastilien Leon kann mit den schönen Erinnerungen an Andalusien, die Extremadura und die Mancha bestens mithalten.

Im Parque Natural Hoces del Rio Riaza

Im Grunde hatte ich zuhause überlegt, ab Tarifa alle 10 Tage einen Ruhetag einzulegen. Doch ich fühlte mich gut und frisch. Auch gab es an der heutigen Strecke weder hohe Berge noch Gravel-Passagen. Mein Plan war daher, einfach zu fahren und den Tag zu genießen. Am Ende würde ich sehen, wie weit ich gekommen wäre.

Die Natur- und Kulturschätze des Landes machten es mir leicht, den Tag zu genießen. Und der leichte Südwind unterstützte mich bei meiner Fahrt durch das zumeist leicht wellige Land zusätzlich.

Iglesia de Valdeherreros

Ich hätte fast den ganzen Zag lang filmen und fotografieren können, aber dan wäre ich gar nicht mehr zum Fahren gekommen.

In der Schlucht des Rio Matafiejas an der BU910

Der einzige Haken ist, dass es nicht ewig so schön bleiben wird. Im Ort Santo Domingo de Silos angekommen prüfte ich meine Übernachtungsoptionen und stellte fest, dass noch in der Nacht Regen aufkommen wird, der morgen Vormittag anhalten soll.

Am Nachmittag sollen dann Gewitter aufziehen. Und für meine nächsten Ziele, San Sebastian und die Pyrenäen, deutet die Prognose auch auf eine unbeständige, gewittrige Wetterlage hin. Ich werde es sehen und die weitere Route beizeiten bestimmen.

Santo Domingo de Silos

Aufgrund der Prognose für die heutige Nacht habe ich jedenfalls beschlossen, mir im kleinen Ort Barbadillo del Mercado ein Zimmer zu nehmen. Ich werde morgen sehen, wie die Lage tatsächlich ist.

Ein kleines Abenteuer gab es noch zum Abschluss des Tages, beim Abendessen im Hotel Dona Lambra. Weil die Küche geschlossen war, gab es nur Tapas aus einer Vitrine zur Auswahl. Und was – ohne meine Lesebrille – aussah wie Tintenfisch, entpuppte sich später als „Orejas“. Wie ich danach nachgelesen habe, eine typisch-spanische Spezialität. Aber auch wenn ich Food-Experimenten gegenüber normalerweise sehr aufgeschlossen bin, wanderte dieses Gericht zurück. 

Orejas – Schweinsohren in Sauce

Sorry, dafür fehlte mir dann der Mut.

TCR #13 ins Baskenland

Montag, 19. Mai. Es war eine gute Entscheidung, gestern in Barbadillo del Mercado zu übernachten. Obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, dass ich mir beim Abendessen mit den traditionellen spanischen Tapas nichts eingefangen habe. In der Nacht bekam ich Bauchschmerzen und tagsüber spielte heute meine Verdauung etwas verrückt. Aber für solche Fälle habe ich Kohletabletten im Gepäck.

Das Dona Lambra ist ein typisches Trucker-Hotel/Restaurant/Café. Und daher machten auch ab 6:30 ständig LKW-Fahrer dort Halt für einen Coffee-Stopp.

Im Dona Lambra

Mich störte es gar nicht, dadurch früh geweckt zu werden. Ich wollte ohnehin bald los, denn die Wetterprognose war nicht gut. Über Nachear es zwar noch trocken geblieben, aber dicke, schwarze Wolken hingen über dem Land und in den Bergen der Sierra de la De Manda, die ich noch überqueren musste. Zudem hatte ea deutlich abgekühlt.

Der erste Regenguss erwischte mich dann auch schon kurz nachdem ich aufgebrochen war. Ich konnte Katie und mich aber glücklicherweise gleich in einem Heuschober unterstellen und abwarten.

Regenschutz im Heuschober

Den weiteren über hatte ich mit dem Regen mehr Glück. Es hingen zwar ständig schwarze Wolken am Firmament, ich selbst bewegte mich aber in einer Glücks-Bubble und bekam nur wenig von dem Nass ab, das ringsum ständig abging.

Den über Nacht um rund 15 Grad gefallenen, nun sehr frischen Temperaturen konnte ich jedoch nicht entgehen.

In der Schlucht des Rio Valdorcas am Weg zum Puerto del Manquillo

Auf 1400 Meter Höhe am Puerto del Manquillo angekommen lag die Temperatur deutlich unter 10 Grad und mir wehte eine steife, kalte Brise entgegen. Es war Zeit, mich warm anzuziehen und flott ins Tal zu kommen, wo es wärmer wäre.

Am Puerto del Manquillo, dem höchsten Punkt des Tages.

Verkehr war wie bereits in den vergangenen Tagen praktisch nicht existent, und so konnte ich die herrliche Landschaft wieder einmal richtig genießen.

So gering wie der Verkehr war allerdings auch die Infrastruktur. So wurde das Essen eine Herausforderung. In den kleinen Bergdörfern, die an meinem Weg lagen, warem weder Geschäfte noch Lokale geöffnet.

Mangels Alternativen packte lch im Ott Alarcia meinen Gaskocher aus und kochte mir eine Portion Makkaroni.

Der Brunnen von Alarcia als Arbeitsplatz.

Der Rest des heutigen Weges führte bis zum Ort Miranda de Ebro über großartige, kleine Nebenstraßen

Schließlich kam ich im Baskenland an und aufgrund der Kälte begann ich mir wieder ein Zimmer zu suchen. Was schwieriger als gedacht Und mich erst nach 22:00 in Vitoria-Gasteiz zu einem Zimmer führte. Aber so ist das eben in der Realität.  Planen und wünschen kann man sich viel. Was zählt, ist dann allerdings, was man tatsächlich macht und was wirklich geschieht.

TCR #14 Touchdown an Spaniens Nordküste

Glücklich nach der Ankunft in Deba

Dienstag, 20. Mai. Nach zwei Wochen ist der erste große Brocken meiner Fahrt in den Norden geschafft. Ich bin an Spaniens Nordküste angekommen und habe damit das ganze Land durchquert.

Es war ein sehr emotionaler Moment, in Deba anzukommen und den Strand und das Meer zu sehen. Ich brauchte eine Weile, um mich wieder zu fassen.

Also bin ich stattdessen noch zum Itxaspe Campingplatz weiter, der großartig gelegen ist und einen wunderschönen Ausblick auf die Küste und das Hinterland bietet. Dort konnte ich den Tag ausklingen und Revue passieren lassen. Wie auch die ersten zwei Wochen meiner Reise.

Nach San Sebastian wollte ich dann nicht mehr weiterfahren. Nicht wieder mühsam in eine Stadt rein, um dann wieder spät ein Hotel und ein geöffnetes Lokal suchen zu müssen. In dem kleinen Deba selbst gibt es jedoch nur eine Pension (voll belegt) und ein 4-Sterne-Hotel (zu teuer).

Ich war längst nicht so weit gekommen, wie ich mir das gedacht hatte. Doch das störte mich nicht. Mein Weg durch Spanien über viele Nebenstraßen, die Sierras und Schotterpisten war eben zeitaufwendiger, dafür aber erheblich beeindruckender und erlebnisreicher als ein direkter Weg über Schnellstraßen. Und ich war daher froh, die Route so geplant zu haben. Mit Ausnahme der Einfahrt und Ausfahrt von Madrid. Und ja, Gibraltar hätte ich auch auslassen können. Aber nachdem das Projekt in meinem Kopf seit langem  „Gibraltar-Nordkap“ hieß, konnte ich daran schlecht vorbei.

Außerdem: Was sind schon Pläne? Man kann sich Dinge ewig überlegen. Man wird niemals alles bedenken können. Letztlich muss man sich einfach entscheiden, etwas zu tun und handeln. Wenn das Resultat nicht so ist, wie man sich das vorgestellt hat, muss man eben flexibel sein. Sich der Situation anpassen und den weiteren Weg adaptieren. Es ist sinnlos, sich über Vergangenes, nicht Veränderbares Gedanken zu machen und darüber zu lamentieren.

In Vitoria-Gastelez.

In Vitoria-Gastelez, wo ich in einem Self-Check-In Hotel die Nacht verbracht hatte, brauchte ich zunächst eine Apotheke. Dort kaufte ich eine Viererpackung „Ensure“, Flüssignahrung. Dazu dann noch Bananen, Nüsse und im einer Pasticceria trockene Kekse zum Knabbern. 

Herzerwärmende Kekse zum Knabbern

Keine Food-Experimente mehr! Meine Verdauung rebelliert nämlich immer noch vom letzten. Um bei den zwischendurch anfallenden „Emergency Stopps“ schneller zu sein blieben die Träger der Radhose daher auch heute unten. Dann sitzt die Hose zwar nicht mehr so perfekt, aber ich musste so nicht erst die ganze Oberbekleidung ausziehen, wenn sich ein Stopp abzeichnete.

Die Strecke … sie führte heute über lange Zeit durch das Tal des Flusses Deba, das zumeist tief eingeschnitten und links und rechts von Bergen umgeben ist. Ortschaften gab es viele, manche erinnerten an Innsbruck, wenn sich das Tal einmal öffnete, dann war dort Industrie angesiedelt und auxh entsprechender Verkehr. Radfahrer konnte man dennoch ganz gut, weil es fast das ganze Tal entlang wieder einen der alten Bahntrassenwege gibt. Am Deba entlang ist der sogar asfaltiert.

Bahtrassenweg am Fluss Deba

Morgen muss ich nach San Sebastian und dort ein Sportgeschäft suchen. Ich brauche noch einen zweiten Ersatzschlauch und neue, leichte und wassertaugliche Barfuß-Schuhe. Meine sind leider heute während der Fahrt unbemerkt vom Rad gefallen. Ich hatte den Gurt, mit dem sie befestigt waren, nach einer Pause nicht richtig festgemacht. Tja, Pech, passiert hoffentlich nicht mehr.

Und dann wartet Frankreich!

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