TCR – Blog | Woche 4


Die vierte Woche des TCR. Vom Sommer an der französischen Mittelmeerküste und einem heißen Anstieg auf den Mont Ventoux. Vorbei an der Schweiz, in den Regen auf dem Weg nach Besancon.

TCR #22 Windig an der Mittelmeerküste

Mittwoch, 28. Mai. Windlotterie heißt es. Naja, ganz so schlimm ist es nicht. Schließlich ist bei einer echten Lotterie die Chance, dass man Glück hat, um ein Vielfaches geringer als die Chance, dass  man guten Wind hat. Wobei „gut“  auch sehr subjektiv ist. Kitesurfer oder Segler haben da ganz andere Maßstäbe als Radfahrer.

Morgens am Strand von Narbonne Plage

Nachdem ich nun mal mit dem Rad unterwegs bin, ist es jedoch fair zu sagen, dass das Windglück heute nicht auf meiner Seite war. Das hatte sich schon gestern Abend abgezeichnet, als ich am Campingplatz mein Zelt aufbaute. Heftige Böen haben das zu einer längeren Geschichte gemacht. Darunter hat dann auch der Schlaf gelitten. Mitunter rüttelte der Wind so stark an meinem kleinen Zelt, dass man meinen konnte, es hebt im nächsten Moment mit mir ab. Und mehrmals musste ich in der Nacht aufstehen, weil der Wind die Haringe des Zelts aus dem Noden gerissen hatte.

Die Hoffnung, dass sich das über Nacht ändern oder der Wind drehen werde, musste ich gleich nach meiner Abfahrt begraben. Und ein Blick in meine Wetter-App zeigte mir, dass ich auch am weiteren Weg noch mit reschem Gegegenwind rechnen muss. Für Avignon, wo ich morgen anzukommen plane, ist starker Nordwind mit 30 bis 50 km/h prognostiziert.

Der Wind kam heute nicht alleine. Das Thermometer war bald auf 30 Grad gestiegen. Und in Kombination bedeutete das, dass ich permanent Durst hatte. Akklimatisiert bin ich an solche Bedingungen in diesem Jahr auch noch nicht.

Pausen sind gut zur Erholung. Zaubern den Wind und die Hitze aber auch nicht weg.

Ich habe also immer wieder Pausen eingelegt und wenn ich gefahren bin, war ich die meiste Zeit auf der Suche nach Trinkwasser. Was, wie bereits erwähnt, in den kleinen, am Weg liegenden Dörfern, ebenfalls nicht leicht ist.

Hausboote am Canal Midi

Letztlich hatte ich keine Lust und keine Energie mehr, mich quälen zu lassen und fuhr, wenn und solange ich konnte, meine Route Richtung Avignon weiter. Am Abend, als ich am Dünenstrand entlangfuhr, wurde es zwar kühler und besser zu fahren.

Der Marseillan Plage bei Agde

Dann war es aber auch schon Zeit, einen Schlafplatz zu finden, um meine tägliche Routine (duschen, Wäsche waschen, essn) rechtzeitig zu starten. Denn – auch das habe ich inzwischen gelernt – Frankreichs Küchen schließen wesentlich früher als die Spaniens. 

Übernachtet wird heute in einem Hotel in Sete, wieder eine entzückende kleine Stadt, von der ich noch nie gehört hatte. Morgen versuche ich, früher loszukommen, um zumindest der Mittagshitze ausweichen und eine Pause einlegen zu können, wenn sie drückt.

Dem Wind werde ich hingegen nicht so einfach ausweichen können. Und dann wartet der Mont Ventoux auf mich. Der seinen Namen auch nicht deswegen hat, weil dort immer aĺle Windfahnen schlaff nach unten hängen.

Das Wichtigst für die nächsten Tage bleibt trinken, trinken und nochmals trinken.

TCR #23 Küste, Nordwind und Stiertreiben

Donnerstag, 29. Mai. Überall wo ich mit Katie hinkomme, ziehe ich Blicke auf mich. Mein Setup fasziniert und immer wieder werde ich gefragt, woher ich komme und wohin ich denn will. Wenn ich die Frage beantworte, dann folgt erst recht großes Staunen. Bisher konnte sich noch kaum jemand vorstellen, dass man so etwas tatsächlich macht.

Aber im Grunde geht es viel weniger um den Startpunkt und den Endpunkt meiner Reise. Die sind nicht viel mehr als geografische Koordinaten. Zugegeben besondere, sonst hätte ich sie auch nicht gewählt. Und es gibt dort auch Denkmäler, die auf ihre Besonderheit hinweisen. Viel bedeutender ist aber der Weg, den ich dazwischen entdecke. Und jeden Tag entdecke ich dabei auch ein bisschen von mir selbst.

Weiße Pferde am Weg

Natürlich gibt es am Weg Ziele. Orte, die ich erreichen möchte. Aber auch die sind zumeist austauschbar und bloß ein Leitfaden zur Orientierung. Ich nehme es, wie es kommt. Muss mich ohnehin damit arrangieren.

Am Kanal in Sete

Von Sete, wo ich die Nacht verbracht hatte, führte mich meine Route heute sehr lange an der Küste entlang, durch zahlreiche Badeorte mit schönen Sandstränden, die aufgrund des Feiertags auch gut besucht waren. Besonders schnell kam ich dadurch zwar nicht voran, aber das war mir nicht so wichtig. Dafür hatte ich immer wieder einen schönen Blick aufs Meer.

Fahrt mit Meerblick

Schließlich entschied ich mich dazu, selbst auch ein wenig Feiertagsprogramm zu machen und legte eine Pause am Strand ein. Selbst mein Leben besteht schließlich nicht aus Radfahren alleine.

Am Strand von Mireval

Dann bog meine Route in das Rhone-Tal ein, und da kam ER ins Spiel. Der Nordwind. Ich wusste ja, was mich erwartet. Die Wetter-App hatte keinen Zweifel offen gelassen: 30 Grad und Nordwind mit 30 bis 50 km/h.

Bei Wind wie heute heißt es „Servus, die Wadln!“

Ich war vorbereitet. Mit Trinken ausgestattet und mental vorbereitet. Dennoch fühlte es sich mitunter an, ich würde mich mehr rückwärts als vorwärts bewegen. Zumindest musste ich nicht immer direkt gegen den Wind anfahren. Eine kleine Kurve nach rechts, und alles lief schon wieder viel runder. Bloß die Kurve ließ oft einige Kilometer auf sich warten.

Ich rechnete mir aus, dass ich bei gleichbleibendem Tempo ungefähr um 20:30 in Avignon sein würde und überlegte gerade, ob ich mir dort ein Zimmer checken sollte, als ich in den Ort Bellegarde kam und die Straße vor mir gesperrt war.

„Freilassung der Bullen“ in Bellegarde

Normalerweise gelten Straßensperren am Weg bloß für Autos, doch in diesem Fall war das offensichtlich anders. Ich lehnte Katie an eine Hausmauer, holte mir in einem kleinen Shop etwas zu tinken und wartete ab.

Zunächst passierte einmal länger nichts. Doch die Menschen waren offensichtlich gespannt. Dann heulte eine Sirene, und kurz darauf kamen einige Reiter die Straße herauf, hinter ihnen jagte ein Junhgstier wild her. Einige junge Burschen versuchten, den Stier bei den Hörnern zu packen oder auf ihn zu spingen.

Ich hatte bisher nur von einem ähnlichen Stiertreiben in Pamplona gewusst. Dass es ein solches Spektakel – als kleines, lokales Fest ohne großen Zauber auch in Südfrankreich gibt, war mir neu.

Nach gut einer Stunde heulte die Surene wieder. Die Freilassung der Bullen war vorüber und ich konnte meine Fahrt fortsetzen. Nach Avignon würde ich nun jedoch nicht mehr bei Tagslicht kommen können. Das stand fest. 

Also begann ich nach einem Schlafplatz Ausschau zu halten. Und kurz darauf hatte ich am Rhone-Kanal auch schon einen gefunden.

TCR #24 Mont Ventoux

Am Gipfel des Mont Ventoux. Mit gigantischer Aussicht

Freitag, 30. Mai. Pläne und Vorhaben brauchen ihre Zeit. Und wenn die gekommen ist, dann ist es umso schöner, wenn sie endlich umgesetzt werden können.

So ist es auch mit meiner Mont Ventoux Befahrung. Im Jahr 2017 war ich im Sommer mit meiner Familie in Nordspanien, und auf der Rückfahrt kamen wir durch Avignon durch. Ich erinnere mich noch genau daran, mit Rosemarie oben beim Papstpalast zu sein und zum ersten Mal den Mont Ventoux in Natura gesehen zu haben.

Seit damals habe ich den Wunsch in mir getragen, diesen Berg einmal zu fahren. Bisher konnte ich das nur virtuell, am Ergometer, machen. Heute konnte das Vorhaben endlich in Tat umgesetzt werden.

Der Mont Ventoux aus der Ferne, kurz nach Avignon.

Was macht ihn so besonders, diesen Berg, der auch Géant de Provence genant wird?

Als Niederösterreicher ist es naheliegend, ihn mit dem Schneeberg zu vergleichen, der bei guter Sicht oft fast schon von Wien aus greifbar nahe scheint. Die beiden Berge sind auch annähernd gleich hoch und sehen aus der Feene auch ähnlich aus. Bloß ist das Weiß an der Spitze – die in beiden Fällen keine richtige Spitze, sondern eher ein Plateau ist – beim Schneeberg Schnee und beim Mont Ventoux eine Kalk-Geröllwüste. Und auf den Schneeberg hinauf gibt es keine Straße, die man mit dem Rad befahren könnte.

Die Straße gibt es meines Wissens wegen des Militärstützpunktes an der Spitze. Das französische Militär hat dort einen Aussichts- und Kommunikationsturm errichtet, der wie ein weithin sichtbarer erhobener Finger aus dem kahlen Fels ragt.

Der Militäturm am Gipfel des Mont Ventoux

Diese Straße musste einfach zu einer Radsportlegende werden. 18 Mal war der Mont Ventoux bereits Teil der Tour de France, und als Schicksalsberg gilt er seit 1967. Der Brite Tom Simpson kollabierte bei der Auffahrt rund eineinhalb Kilometer vor dem Gipfel und starb an der Unglücksstelle. Heute erinnert dort ein Denkmal daran.

Das Tom Simpson Denkmal am Mont Ventoux

Erschwert wird die 21 km lange Anfahrt mit 1600 Höhenmetern – klassisch vom Süden aus Bedoin kommend – oft durch Hitze und Wind.

Heute war es nicht windig. Es wehte nur eine leichte Brise. Aber die Hitze war bei der Auffahrt ein hartes Kriterium. Dazu beigetragen hat auch, dass ich bereits 85 km bei hochsommerlichen Temperaturen gefahren war, als ich in Bedoin ankam. Dort ließ ich mir Zeit. Ich gönnte mir ein großes Eis, trank einen Liter Wasser und füllte meine Trinkflaschen frisch auf, ehe ich an die Bergfahrt ging.

Der untere Teil des Anstiegs führt durch Wald und erinert an den Jauerling in der Wachau.

Nach einigen Kilometern anrollen taucht die Straße in einen Wald ein und ab dort geht es zur Sache. Auf den nächsten acht Kilometern fällt die Steigjng nie unter 9 Prozent und ist dabei mit Rampen gespickt, die es schẁer machten, meine mit Zimmer, Küçhe und Kabinett bestückte Katie immer weiter zu bewegen.

Bei Kilometer 9 waren meine beiden Trinkflaschen bereits fast komplett leer. Die Luft stand im Wald und es hatte immer noch um die 30 Grad. Ich musste eine Pause einlegen, um mich eteas herunterzukühlen. Bisher hatte es keine einzige Möglichkeit gegeben, an frisches Wasser zu kommen.

Pause mit Zweifel: knacke ich den Berg oder er mich?

Das ging bis Kilometer 14 so weiter. Dann öffnete sich die Strecke, ich kam aus dem Wald heraus in die Geröllzone, wo eine leichte Brise wehte und die Hitze milderte. Auch stand die Sonne nicht mehr so hoch und auf 1400 Meter, bei der Bikepark-Talstation, gab es dann auch endlich eine Möglichkeit, die Trinkflaschen aufzufüllen. Eine weitere bei einem Brunnen auf 1500 Meter.

Impressionen von der Auffahrt auf den Mont Ventoux

Der Rest bis zum Gipfel war Staunen und Genuss. Und erst recht die Aussicht von dort, die von den Alpen im Norden bis zum Mittelmeer im Süden reichte. Nach der langen Wartezeit war ich nicht enttäuscht worden. Der Mont Ventoux hatte gehalten, was von ihm versprochen wird.

RC Eichgraben am Mont Ventoux

Und als richtig großen Bonus gab es anschließend noch eine 20 Kilometer lange Abfahrt auf fast leerer Straße – Radlerherz, was willst du mehr?

TCR #25 Viele Wege führen nach Norden

Samstag, 31. Mai. Wie geht es weiter, na. chdem man einen Traum in Realität umgesetzt, ein Ziel erreicht hat? Ich nutze solche Momente gerne, um erstens zu reflektieren und um danach in einem zweiten Schritt wieder nach vorne zu schauen und die weiteren Vohaben einem Realitäts-Check zu unterziehen: lassen sich diese umsetzen? Wie realistich ist das, mit den vorgegebenen Ressourcen?

Während der Fahrt ist genug Zeit dafür. Bisher hatte ich an fast allem, das ich geplant hatte, festgehalten. Das war gut und schön. Aber ich bin dadurch auch etwas unter Zeitdruck gekommen, hinkte meinem eigenen „Fahrplan“ schon etliche Tage hinterhehr. Das machte noch keinen Stress, aber es war Zeit, gegenzusteuern. Zudem musste ich meine Tagesabläufe ändern und zusehen, dass ich am Abend früher mit der täglichen Fahrt fertig bin. Zumindest, wenn die Punkte Essen und Schlafen noch offen waren.

In Malaucene war es nach der Abfahrt vom Mont Ventoux unmöglich gewesen, ein Zimmer zu bekommen. Das hatte ich – nachdem das auf meiner Reise bisher noch nie ein Problem war, nicht bedacht. Der Campingplatz, den ich mir notiert hatte, entpuppte sich dann auch nicht als Campingplatz, sondern als reiner Wohnmobil-Stellplatz, an dem ich mein Zelt nicht aufstellen konnte. Ich fand dann zwar noch ein Plätzchen dafür. Schön war das allerdings nicht. Es war jedoch schon die Nacht angebrochen und daher schwierig, etwas richtig Gutes zu finden. Das wollte ich in Zukunft ebenfalls vermeiden.

Am Weg Richtung Col de la Croix Rouge

Der erste Teil meiner heutigen Fahrt war wunderbar für das Auge und das Radlerherz. Er führte über kleine, unbedeutende Nebenstraßen, die hauptsächlich von wenigen lokalen Radfahrern befahren wurden, durch eine wunderschöne Schluchten-Landschaft und zwei kleinere Pässe, dem Col de la Croix Rouge und dem Col de la Sausse. Am Weg kam ich durch zauberhafte Orte wie Les Pilles.

In les Pilles
Die Straße zum Col de la Sausse

Anschließend gestaltete ich jedoch den weiteren Verlauf um. Statt weiter durch den Naturpark du Vercors Richtung Grenoble zu fahren, bog ich nach Crest ab und fuhr auf der D538 nach Norden. Es war Zeit, Tempo und Kilometer zu machen.

Ausblick vom Col de la Sausse

Auch der Wind war mir gnädig, somit die drückende Nachmittagshitze gut auszuhalten und ich kam gut voran.

Baden in der Drome bei Crest. Frankreich genießt die ersten Sommertage des Jahres.

In Crest machte ich dann Pause und suchte nach einem möglichen Zielort und einem Zimmer für die Nacht. Beides hat geklappt. Gelandet bin ich in Ruman-sur-Isere, und der Tages-Kilometerzähler war immerhin noch auf 143,5 gekommen.

TCR #26 Ein letzter Sommertag

Sonntag, 1. Juni. Es musste so kommen. Es war nur eine Frage der Zeit. Ich bin nun schon fast vier Wochen unterwegs und hatte mit Ausnahme der leichten Regenschauer in Zentralspanien immer bestes Reisewetter.

Heute war auf absehbare Zeit der letzte Tag mit Temperaturen über 30 Grad und beständig schönem Wetter. Wenn die Prognosen halten, dann ziehen in der Region, in der ich mich aktuell befinde, in den nächsten Tagen immer wieder schwere Gewitter durch. Blitze, Donner und Starkregen sind wahrlich Spaßbremsen. Ich werde sehen, wie schlimm es tatsächlich wird. Mit heute Abend bin ich jedenfalls in den Bereich der Gewitterzone gekommen.

Wähend meines Stopps in Alexis‘ Bar in Chatillon-la-Palud schickten Blitz, Donner und Starkregen den Sommer in die Pause. Passend dazu lief in der Bar gleichzeitig der Doors-Song „Riders on the Storm“.
Auch Katie durfte sich in der Bar vor dem Regen in Sicherheit bringen.

Zwischendurch klarte es wieder ein wenig auf, seit ich in Bourg-en-Brasse angkommen bin, haben sich die Gewitter hier festgesetzt.

Dabei hatte der Tag noch hochsommerlich begonnen – mit allen bekannten Begleiterscheinungen, hauptsächlich Durst und der ständigen Suche nach Trinken. Dabei gab es heute auch schöne Momente, etwa als ich gegen Mittag Kirschen von einem Baum essen konnte, bis dessen unteren Äste leergepflückt waren.

Natürlich passe ich auf, dabei nicht erwischt zu werden. Ich will schließlich nicht enden wie Ottavio  Botteccia. Wer nicht weiß, wer das ist: Botteccia war in den 1920ern Italiens erster große Radstar und der erste Italiener, der die Tour de France gewinnen konnte (1923 und 1924). Im Juli 1927 kam er von einer Trainingsfahrt nicht mehr nach Hause und wurde mit schweren Schädelfrakturen tot in einem Straßengraben gefunden. Man vermutete einen Sturz, doch Jahre später gab ein Bauer am Totenbett zu, Botteccia erschlagen zu haben, weil dieser Weintrauben gestohlen hatte.

Blick auf die Alpen – es gibt noch viele Berge, die ich in meinem Leben noch befahren kann.

Meine Fahrt führte heute weiter durch die Region Auvergne-Rhone-Alpes und für eine ganze Weile hatte ich dabei die hohen, zum Teil noch mit Schnee bedeckten Gipfel der Alpen im Blick. Als ich zuhause mein TCR-Projekt plante, dachte ich noch, dass ich einige dieser Gipfel darin integrieren könnte. Mittlerweile ist mir klar, dass dieses Vorhaben besser in einem eigenen Projekt aufgehoben ist. Es sei denn, man hat unbegrenzt Zeit dafür und ein leichtes Zweitrad oder zumindest ein Gepäcksdepot zur Verfügung.

Getreide, reif für die Ernte. Im Hintergrund die Alpen.

In einer menschenleeren Ecke kam ich an einem Teich vorbei und konnte nicht anders, als mich darin kurz abzukühlen. Obwohl eigentlich auch ich mit meinem bruchstückhaften Französisch das Schild mit der Aufschrift „Peche et Baignade INTERDIT“ dechiffrieren konnte. Und dann war der Sommer erstmal vorüber.

Sonnenuntergang bei meiner Ankunft in Bourg-en Brasse

TCR #27 Regen regiert

Montag, 2. Juni. Die Sommertage sind vorüber. Im französischen Jura, wo ich mich aktuell befinde, hat sich ein Tiefdruckgebiet festgesetzt, das noch etliche Tage hier hängen bleiben wird. Vom Golf von Biscaya her naht das nächste Ungemach. Abzuwarten, dass sich das Wetter bessert, ist also sinnlos. Im Grunde passt das aber ohnehin zu meinem Plan, denn weiter im Norden Frankreichs und Deutschlands, wo ich mich in diesen Tagen hinbewegen werde, sieht es den Satellitenbildern zufolge wettertechnisch besser aus. Ich muss nur hinfahren.

Eine kräftige Tiefdruckzone bewegt sich von Nordspanien nach Nordosten

Bis ich dort angekommen bin, ist also Zeit für das Regengewand. Wobei ich aber was den Regen betrifft bisher wirklich von Glück reden kann.

1 x Glück: Entlang der gesamten Strecke, die ich in den vergangenen zwei Wochen gefahren bin, gibt es nun Regen und Schlechtwetter.

2 x Glück: Gestern Abend war ich kaum in Bourg-en-Brasse angekommen, da gingen die Gewitter richtig los. Doch da war ich bereits im Zimmer. Es konnte von mir aus die ganze Nacht wettern (was es dann auch tat).

3 x Glück. Kurz davor in Alexis‘ Bar war es ebenso. Ich stand eben am Tresen und wartete darauf, dass meine Wasserflaschen neu befüllt werden, als draußen der sintflutartige Regen losbrach. Passend dazu lief in der Bar wie bestellt der Doors-Song „Riders on the Storm“. Und das ist jetzt nicht erfunden.

4 x Glück: Heute regnete es den ganzen Tag leicht dahin. Die Wolken hingen tief und schwer über dem Land, dem französischen Jura. Die Gewitter waren jedoch abgezogen. Im Grunde hatte ich sogar recht gutes Radwetter.

Regenwetter im französischen Jura

Die Temperatur war angenehm, hatte sich gegenüber den heißen Tagen zuvor halbiert. Das bisschen Nieselregen, in dem ich mich bewegte, störte nicht. Ich hatte, weil das Abendessen wegen meiner späten Ankunft ausgefallen war, am Morgen noch eingekauft, richtig ausgiebig und gut gefrühstückt und auch genug Proviant für den Tag eingepackt. Als ich dann Hunger bekam und meine Essenspause machen wollte, suchte ich dafür einen trockenen Platz und fand diesen in einer Bushaltestelle.

Lunch-Pause in der trockenen Bushaltestelle

Ich hatte kaum dort Platz genommen und meine Jause ausgepackt, da öffnete der Himmel seine Schleusen.

Zuerst war ich wochenlang auf der Sonnenseite und nun war ich bereits dreimal hintereinander starken Regengüssen entkommen, hatte selbst nur wenige, harmlose Tropfen abbekommen.

So kann und darf es bitte gerne weitergehen.

Chatrau-Chalon. Das mittelalterliche Dorf gilt als eines der schönsten Frankreichs.

Gerne wäre ich bereits heute weiter Richtung Norden gekommen. Doch gerade als ich im Ort Voiteur ankam, der dem malerischen, beeindruckend auf dem Jurafelsen gelegenen Chateu-Chalon zu Füßen liegt, wurde der Regen erneut stärker.

In Voiteur

Ich überlegte kurz meine Optionen. Doch im Grunde gab es wenig zu überlegen. Es war bereits 18:30. Ich hätte noch ungefähr zwei Stunden lang weiterfahren können. Dabei erstens riskiert, doch noch waschlnass zu werden. Und zweitens, in einem winzigen Ort ohne Gästebetten zu stranen. Währed ich gerade erst vor 100 Metern an der „Auberge de la Seille“ vorbeigekommen war, vor der eine Tafel mit der Aufschrift „Chambres“ stand. Ich hatte mein Quartier also schon gefunden.

TCR #28 Nasser Geburtstag, nach Besancon

Dienstag, 3. Juni. Die ganze Nacht lang hatte es geregnet. Doch als ich morgens aufwachte, hatte die Sonne einen Weg durch die Wolkendecke gefunden. Ich beeilte mich daher mit dem Frühstück in der Auberge de la Seille, in der ich die Nacht verbracht hatte. Denn bei der aktuellen Wetterlange ist jede Sonnenstunde Gold wert.

An der Grand Rue von Voiteur

Gleich zu Beginn führte mich mein Weg durch die Weinberge des Jura zum kleinen Bergdorf Chateu-Chalon, das ich bisher nur bei der Anfahrt nach Voiteur hoch oben auf Fels thronend gesehen hatte. Und ich war begeistert von der schlichten, vom Tourismus unbefleckten Schönheit des Ortes und dem grandiosen Ausblick auf das Jura, der sich von hier aus bot.

Chateu-Chalon

Hier gab es keine Busparkplätze, keine grauenhaften Souvenierstände und auch sonst kaum touristisches Angebot. Das kleine Dorf hat es trotz seiner außergewöhnlichen Lage geschafft, seine Identität bis heute zu bewahren, sich nicht zu verkaufen. Mit Recht gehört dieses Kleinod zu den „Les Plus Beaux Villages de France“, den schönsten Dörfern Frankreichs.

Ausblick von Chateu-Chalon auf das Jura

Das in Stille und Ruhe genießen zu können, war ein schönes Geburtstagsgeschenk.

Marienatatue an der Ortsausfahrt von Chateau-Chalon

Obwohl ich es angesichts der Wetterprognose besser wusste, hatte ich auf weitere Sonnenstunden gehofft. Doch die blieben mir verwehrt. Bald nachdem ich Chateau-Chalon passiert hatte, verdichteten sich die Wolken wieder, und Regen setzte ein. Es war wieder Zeit, die Regenhaut überzuziehen.

Von nun an regnete es die meiste Zeit des Tages ohne Unterlass weiter. Mein Equipment – die Ortlieb-Taschen und mein Regengewand – war einem echten Härtetest ausgesetzt. Und hat diesen mit Bravour bestanden. Mit Ausnahme der neuen Langfinger-Handschuhe, die ich in Bedoin als Ersatz für die verlorenen Neoprenhandschuhe gekauft habe. Die neuen sind zwar warm, aber nicht regenfest und waren nach kurzer Fahrzeit bereits völlig durchnässt. Ich muss unbedingt noch bessere finden.

Unterwegs in Regenmontur

Die Landschaft – das Jura – ist auch bei Regen recht attraktiv und geprägt vom Weinbau. Viel Lust zum Fotografieren hatte ich heute dennoch nicht. Ich zog lieber den Kopf etwas ein, versuchte, mich hinter dem Lenker klein zu machen und einfach voran und nach Besancon zu kommen.

Durst war heute kein Thema, dafür umso mehr der Hunger. In Arbois kaufte ich mir in einem Feinkostladen eine große Portion Lasagne, die ich sofort verputzte. Auch von meiner Wegzehrung – vier Bananen, ein Baguette, 250 Gramm Guacamole, eine kleine Stange Salami und zwei Packungen Haribo – war nichts mehr übrig, als ich Besancon endlich erreichte. Und das sogar trocken, denn 15 Kilometer vor dem Ziel hörte der Regen auf und die Sonne kam wieder zum Vorschein.

Versöhnlicher Tagesabschluss: Sonne am Doubs-Kanal vor Besancon

Morgen bitte wieder etwas mehr davon …

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