TCR – Blog | Woche 6


Die sechste Woche des TCR. Vom deutschen Flachland nach Kiel. Von dort aus mit der Fähre nach Oslo und dann ins norwegische Landesinnere auf dem Weg nach Trondheim.

TCR #36 Ins Flachland eintauchen

Mittwoch, 11. Juni. In letzter Zeit bin ich immer wieder an Orte gekommen, die mich stark an zuhause erinnerten. Das war schon in Frankreich so, als ich am Doubs entlang fuhr. Dort ähnelte die Landschaft zeitweise so stark dem oberen Donautal, dass ich hinter der nächsten Biegung fast schon die Schlögener Schlinge erwartete. Das Hotel Schlögen, in dem Jones, der Mann meiner Nichte Lisa, arbeitet und von wo das Haus meiner Schwiegermutter nur noch einen Steinwurf entfernt ist. Es wäre nett gewesen, hätte ich auf meiner Fahrt dort auf Kaffee und Kuchen vorbeischauen können.

Frühstück in Höxter. Am Balkon meines Zimmers habe ich Wasser für Kaffee und Porridge gekocht.

Heute, nachdem ich in Höxter losgefahren war – ich hatte dort im Gästehaus der Weserbergland-Klinik übernachtet – erinnerte die Landschaft zeitweise so stark an den Wienerwald, dass ich das Gefühl hatte, nur zuhause, auf einer kurzen Ausfahrt unterwegs zu sein. Noch ein, zweimal abbiegen und ich wäre daheim, in Eichgraben. Könnte dort duschen, auf der Terrasse in der Sonne sitzen, einen Kaffee trinken, eine Umarmung und einen Kuss bekommen und vielleicht gar nicht mehr weiterfahren müssen.

Heimatgefühle: Ist das dort links nicht die Sophienalpe bei Wien?

Das Fahren war in den ersten Stunden auch etwas mühselig. Und das hatte technische Gründe. Bereits seit ein paar Tagen hatte ich daran gedacht, dass es demnächst an der Zeit sein müsste, meine Fahrradkette zu tauschen. Kurz nachdem ich heute losgefahren war, begannen dann die Gänge zu springen, die Schaltung funktionierte nicht mehr richtig. Also suchte ich nach einer Fahrradwerkstatt am Weg und fand auch schnell eine. In Hameln gab es einen Trek-Store. Dort wurde Katie schnell auf den Montageständer gehievt und einem Schnellservice unterzogen.

Katie beim Fahrraddoktor. Im Trek-Store Hameln.

Das Schaltseil war hinüber. Ich hatte zwar für den Notfall ein Ersatzseil in der Werkzeugtasche, war aber froh, dass ich das Austauschen nicht selbst machen musste. Außerdem bekam Katie auch gleich noch ein Schnellservice und ich einen Kaffee und Kekse. Danke dafür!

Mangels Zeit und Ersatzteile war es allerdings nicht möglich, auch noch den Antrieb zu tauschen – die Schaltkassette, das Kettenblatt und die Kette. Das muss ich bei nächster Gelegenheit – am besten in Hamburg – im Zuge eines großen Service machen lassen. Ich hatte ohnehin überlegt, in der Stadt einen Ruhetag einzulegen. Das bietet sich jedenfalls an.

Ich konnte zumindest weiterfahren. Die Schaltung funktionierte wieder einwandfrei, und die rund 200 km bis Hamburg würde ich auch noch kommen.

Dann begann sich endlich – nach den vielen Schlechtwettertagen auch die Sonne mehr und mehr durchzusetzen. Und mit der Sonne wurde es am Nachmittag auch spürbar wärmer. Immer noch frisch genug für ein Langarmtrikot, aber warm und sonnig genug, dass das Fahren wieder richtig Spaß machte. Und auch wieder einige andere auf ihren Rennrädern unterwegs waren.

In Bad Münder am Deister. Ein hübsches Städtchen, im Sonnenschein noch hübscher.

Schließlich gin es noch einmal bergauf. Über den Nienstädter Pass, der im Grunde nur eine kleine Erhebung ist, aber einen markanten Punkt darstellt: hat man ihn und seine Kehren (die an den Riederberg erinnern) überwunden, rollt man auf der anderen Seite ins Flachland, das sich ohne weitere Erhebung bis zur Nordseeküste erstreckt. Auf den fast 400 Kilometern, die es von hier weg bis Flensburg an der Dänischen Grenze noch sind, gibt es keinen weiteren Anstieg mehr. Ich hatte die Berge – Spaniens Sierras, die Pyrenäen, die Alpen, das Deutsche Mittelgebirge – hinter mir gelassen.

Im Flachland angekommen. Die Ebene erstreckt sich bis zur Nordsee.

Das Fahren wird in den nächsten Tagen also einfacher werden. Und es kam auch gleich wieder ein anderes Fahrgefühl auf. Erst recht, als ich zum ersten Mal seit etlichen Tagen wieder einen Sonnenuntergang bei wolkenlosem Himmel erlebte. Ich fühlte mich gut. Es war schön, zu fahren. Noch rund 100 Kilkmeter bis Hamburg. Katie, wir machen das!

Sonnenuntergang. Schön, so fahren zu können.

TCR #37 Hamburg. Service für Katie und traurige Gedanken

Donnerstag, 12. Juni. Meine Reise beansprucht nicht nur mich, sondern auch Katie enorm. Als ich sie in Malaga aus dem Karton holte und für die Fahrt zusammenbaute, war sie noch fabriksneu. Nur gut ein Monat später sind die Verschleißerscheinungen so groß, dass sie dringend zum Service musste. Der Antriebssatz ist komplett durch. Die Kette, das vordere Kettenblatt und die Schaltkassette müssen getauscht werden. Der Hinterreifen ebenso. Es ist bereits der dritte auf den 4500 Kilometern, die ich bisher zurückgelegt habe. Normalerweise halten Reifen etwa doppelt so lang, aber das hohe Ladegewicht und die zahlreichen Schotterstraßen fordern eben ihren Tribut.

Mein Ziel für heute war daher, nach Hamburg zu kommen und Katie zum Service zu bringen, damit ich sie morgen wieder abholen und weiterfahren kann.

Check-in bei Suicycle in Hamburg.

Das Ziel habe ich erreicht, allerdings gerade noch rechtzeitig. Ich hatte mich nämlich mit dem Abschätzen der Entfernung von Bothmer, wo ich die letzte Nacht verbracht hatte, grob vertan. Ich dachte, dass es nur rund 100 Kilometer nach Hamburg wären. Dabei waren es jedoch 150.

Bei Suicycle hatte man dennoch auch kurz vor Ladenachluss ein Herz für mich. Katie kam dort in die Werkstatt. Morgen gegen Mittag kann ich sie frisch gewartet wieder abholen.

Es sind noch etwa 200 Kilometer bis Flensburg. Übermorgen sollte ich dann tatsächlich in Dänemark sein.

Die Weiterfahrt nach Hamburg verlief recht glatt und problemlos. Das Wetter war ideal. Die Sonne schien, die Temperatur stieg tagsüber auf rund 25 Grad, der Wind kam aus OSO und war oft ein guter Begleiter. Nur in der Nähe von Hamburg musste ich gelegentlich gegen ihn arbeiten.

Windkraft zu nutzen hat hier im Norddeutschen Flachland Tradition.

Die meiste Zeit des Tages war der Wind jedoch nur eine leichte Brise.

Moderne Windkraftanlage bei Walsrode. Die Windräder drehten sich gemächlich. Erst später wurde der Wind stärker.

Mein Weg führte mich weiter durch das Flachland, öfter einmal etliche Kilometer geradeaus. Und die meiste Zeit entlang kleiner Straßen oder asfaltierter Begleitwege. Die gibt es in Deutschland – soweit ich das jetzt anhand meiner Route beurteilen kann –  an fast allen stärker befahrener Straßen und sind zumeist auch in recht gutem Zustand. Jedenfalls so gut, dass es sich bei meinem Reisetempo lohnt, sie zu nutzen statt mich mit dem motorisierten Straßenverkehr auszusetzen und zu stressen.

Geradeaus durch den Wald. Ein häufiges Bild am heutigen Tag.

Ich hatte viel Zeit, nachzudenken, bis ich in Hamburg war. Und die meiste Zeit musste ich dabei an meine Freunde Veronika und Wolfgang und ihren Sohn Felix denken, der vor ein paar Tagen verstorben ist und heute zuhause in Eichgraben beerdigt wurde.

Herzstillstand. Plötzlich und unerwartet aus dem Leben gerissen. Wie schrecklich grausam. Es ist das Furchtbarste, das man sich als Vater, als Mutter vorstellen kann. Das eigene Kind zu verlieren und zu Grabe tragen zu müssen. Bei dem Gedanken daran kamen mir die Tränen. Ich versuchte ihn zu verdrängen, doch er kam immer wieder. Ich wüsste nicht, was ich machen würde, wenn dieser Schicksalsschlag mich treffen würde.

Felix, mit nur 26 Jahren verstorben

Ich hatte Felix als kleinen Jungen kennengelernt. Er war ein quirliger, frecher und unerschrockener Bub, der unglaublich schnell sprechen konnte. Diese Unerschrockenheit behielt er bei, er hatte es damit  auch nicht immer leicht. Doch so sind eben Kinder. Sie haben ihren eigenen Kopf, ihr eigenes Leben. Man kann für sie nur das Beste hoffen und wünschen, erst recht, wenn sie erwachsen sind. Es ist traurig, dass sein Leben, gerade als er darin wieder einen Weg gefunden zu haben schien, zu Ende war.

Ich musste eine Pause machen. Eine lange Minute der Trauer einlegen. Auch meine eigene Traurigkeit loswerden. Der Tod gehört zum Leben. Nichts währt ewig. Auch wenn wir das glauben und den Gedanken an das Ende verdrängen. Und das Leben ist leider kurz. Viel zu kurz, um etwas zu tun, dass es nicht wert ist, Zeit dafür zu verschwenden. Aus Pflicht- oder Verantwortungsbewusstsein.

Es gibt diesen schönen Smiths-Song „Heaven Knows I’m Miserable Now“ mit der grandiosen Textzeile: „In my life, why do I give valuable time
To people who don’t care if I live or die?“ Ja. Warum verschwenden wir unsere wertvolle Zeit für Dinge, die es nicht wert sind? Für irgendwelche Ziele anderer Menschen? Wenden unsere Energie auf für eine Sache, die im Grunde völlig belanglos ist?

Am Ende, das oft unerwartet kommt, zählt was wir getan haben. Nicht was wir tun wollten. Es sind die Momente des Glücks und der Zufriedenheit, die uns bereichern. Und wir müssen alles tun, um so viele Glücksmomente wie möglich in unser Dasein, in das Heute zu bringen.

Erst als ich mich wieder gefasst hatte, konnte ich weiterfahren. Buxtehude, Hamburg. Der Hafen. Unheimlich viel Verkehr. Und wie bei jeder größeren Stadteinfahrt ein Slalom durch zahlreiche Kreisverkehre.

Am Hamburger Hafen

Dann der Elbtunnel. Ein Aufzug bringt Fußgänger und Radfahrer in den Elbtunnel, der die kürzeste Verbindung zwischen Hafen und der Stadt darstellt. Es ist schon ein besonderes Erlebnis, auf diese Weise in eine Stadt zu kommen.

Im Hamburger Elbtunnel

Dann die Innenstadt. Radservice. Ein Hotelzimmer in der Nähe, direkt an der Großen Freiheit, der Partymeile der Stadt.

Die „Große Freiheit“

Der Kiez, die „Große Freiheit“ beeindruckt mich wenig. Gibt mir njchts. Große Freiheit ist für mich nicht Party-all-night. Es ist vielmehr das tun und erleben zu können, was ich möchte. So lange das möglich ist. Meine Reise. Eine große Freiheit.

Morgen, wenn Katie frisch serviciert ist, geht sie weiter. Meine Reise. Meine Fahrt. Mein Leben.

TCR #38 Kiel. Touchdown an der Ostsee. Bereit zur Überfahrt nach Oslo

Freitag, 13. Juni. Mir bleibt noch ein Monat Zeit für mein Transkontinental-Abenteuer. Und weil die Zeit begrenzt ist und Hamburg ein strategisch günstiger Punkt dafür war, habe ich, während Katie beim Service war, meine Optionen für die weitere Fahrt abgewogen.

Impressionen vom Hamburger Kiez

Der Schluss daraus war, dass es vernünftiger ist, von Hamburg aus nach Kiel und von dort mit der Fähre direkt nach Oslo zu fahren statt nach Frederikshavn und weiter über Göteborg nach Oslo zu kommen. Andernfalls hätte ich das Ziel Nordkap zwar noch innerhalb meines Zeitrahmens erreichen können, aber ich muss schließlich auch noch zurück nach Österreich.

Ich habe dann auch gleich Nägel mit Köpfen gemacht und Fährtickets für Katie und mich gekauft. Abfahrt morgen, Samstag 14:00 Uhr. Ankunft übermorgen, Sonntag 10:00 Uhr. Als Bonus springt dabei für mich ein ohnehin schon überfälliger Ruhetag heraus.

Holstein-Rinder in Schleswig-Holstein

Für den heutigen Nachmittag – Katie war um 13:30 bereit abgeholt zu werden – hatte ich daher ein klares und leicht erreichbares Ziel: Kiel, die nur rund 100 Kilometer von Hamburg entfernte Ostsee-Hafenstadt.

Ich ließ mir Zeit bei der Fahrt. Genoss das schöne Wetter, die Sonnenstrahlen und die Landschaft.

Unterwegs in Schleswig-Holstein

Alles lief glatt. Es war ein guter, entspannter Tag. Die Landschaft grundsätzlich flach, nur leicht hügelig. Auf 106 Kilometer kamen nur 380 Höhenmeter zusamen. „Bergauf“ ging es eigentlich nie. Ich rollte durch das Land. Es gab keinen Grund zur Eile.

Felder und Wälder, dazwischen kleine Dörfer.

Und dann war ich auch schon in Kiel. Am Hafen. Ich hatte wieder einen Landmark-Punkt erreicht. 4600 Kilometer nach dem Beginn meiner Reise in Malaga hatte ich das europäische Festland von der Atlantikküste Spaniens bis zur Deutschen Ostseeküste durchquert. Ich fühlte mich gut. Ein wenig stolz auch. Und zufrieden. Ein Gefühl, das ich gerne ein Weilchen auskostete. Und das ich auf der weiteren Fahrt hoffentlich noch einige Male erleben werde.

Glücklich am Kieler Hafen

TCR #39 Chillen auf der Fähre nach Oslo

Samstag, 14. Juni. Beine hoch. Entspannen. 20 Stunden dauert die Fahrt auf der Fähre von Kiel nach Oslo. Ich nütze die Zeit zum Nichtstun und mit jeder Stunde die vergeht spüre ich, wie gut mir das gut.

Ich nütze die Zeit auch, um die Erlebnisse der vergangenen Wochen Revue passieren zu lassen. Es ist vielleicht schwer vorstellbar, aber dafür hatte ich bisher eigentlich keine Gelegenheit.

Am Kieler Hafen

Einerseits, weil täglich wieder neue Eindrücke auf mich eingeprasselt sind. Aber auch, weil alleine, unsupported mit dem Rad wochenlanag durch ganz Europa zu fahren eben viel mehr bedeutet als bloß Rad zu fahren. Mein Transcontinental-Ride ist ein gewagtes Unternehmen, bei dem ich Investor, alleinverantwortlicher C-Level-Manager in allen Positionen, Logistiker, Controller, ausführender Mitarbeiter und Facility-Manager in Personalunion bin.

Normale Tage sind dabei ausgefüllt von frühmorgens bis spätabends. Vom Trocknen der meistens noch feuchten Kleidung angefangen, dem Verstauen des Gepäcks am Rad, Frühstück, Essen und Trinken für den Tag organisieren und die weitere Route zu bestimmen. Bis es darum geht, wieder einen Schlafplatz zu finden, den Schweiß, Staub und Schmutz aus der Tag getragenen Kleidung herauszuwaschen, mich selbst ebenfalls davon zu befreien und um dann noch meinen Kalorien-Haushalt halbwegs ins Lot zu bringen.

Seit Beginn meiner Reise liegt mein täglicher Aktiv-Kalorienverbrauch zwischen 4000 und 5000 Kalorien. Ergänzt um meinen Grundumsatz ergeben sich daraus 7000 bis 8000 Kalorien, die ich jeden Tag aufnehmen müsste. Was völlig unmöglich ist. Und zur Folge hat, dass selbst die hartnäckigsten Fettpölsterchen, die ich trotz intensivem Training in den Jahren davor nie los wurde, komplett verschwunden sind.

Katie in der Warteschlange zum Boarding

Um den Day-off richtig entspannt verbringen zu können habe ich mich in Kiel mit reichlich Proviant für die Überfahrt eingedeckt. An Bord der Fähre gibt es zwar auch etliche Restaurants und Shops, ich finde es aber viel entspannender, mich hier um nichts mehr kümmern zu müssen.

Shopping-und Entertainment-Deck an Bord der Fähre

Am Nachmittag habe ich noch das Schiff ein wenig erkundet und war danach noch eine Weile am Sonnendeck.

Am Sonnendeck

Seither hat mich jedoch nichts mehr aus meiner Kabine gelockt. Essen, trinken schlafen. Die Wetterprognose und die Route für die nächsten Tage und Wochen durchgehen. Das reicht mir als Beschäftigung für den heutigen Tag.

Meine Kabine auf der Fähre nach Oslo

Rund 2500 Kilometer durch Norwegen sind es noch bis zum Nordkap. Ich freue mich darauf. Und nach allem was ich bisher auf meiner Reise erlebt habe, bin ich absolut zuversichtlich, dass ich dort auch ankomme. Und auch noch den Weg nach Hause finde. Was auch immer noch geschieht

TCR #40 Norwegian Wood

Sonntag, 15. Juni. Es war gar nicht so einfach, nach dem Tag Pause wieder richtig in den Rhythmus zu kommen. Zumal sich auch der Start etwas gezogen hat. Es dauerte eine Weile, bis ich nach der Überfahrt an Land war und wieder die Orientierung hatte. Erschwerend kam dazu, dass auch meine Navi Probleme hatte, sich zurechtzufinden. Sie warf den ganzen Tag lang immer wie die Meldung „Streckenabweichung“ aus und zeigte am Display nicht existierende Wege an.

Frühstück in Oslo. Godt Brød. Spis godt. Liv godt.

Um etwas Schwung zu holen gönnte ich mir zunächst noch ein Frühstück in Oslo und widmete mich erst danach dem Pfadfinden.

In Oslo

Das wäre im Grunde gar nicht so schwierig gewesen, denn hauptsächlich folgte meine Route heute der E4 und dem Radweg R4 entlang der Schnellstraße.

Kirche, typisch norwegisch

Ganz so einfach war es aber doch nicht, denn der die Straße begleitende Radweg endete immer wieder unvermittelt die Weiterfahrt auf der E4 war für Radfahrer dann oft verboten.

Das führte mich dann ins norwegische Holz und auf nicht asfaltierte Wege. Schön fürs Auge und gut für die Muskeln, aber schlecht fürs Tempo. Obendrein zogen zwischendurch auch noch ein Gewitter und einige weitere Regenschauer durch.

Am Weg gab es zahlreiche Seen. Dieser hier ist der Åstjernet und liegt mitten im Wald.

Ich hatte zugegeben auch wenig Lust, flott zu fahren und gerne längere Pausen gemacht. Außerdem hatte ich auch deshalb keine besondere Eile, weil ich wusste, dass es sehr lange hell sein würde. Sonnenuntergang würde erst gegen 23:00 Uhr sein. Ich konnte also so lang fahren wie ich wollte. Irgendein Platz zum Schlafen würde sich schon finden. Zumal man in Norwegen jederzeit und überall ein Zelt aufschlagen darf.

23:40 Nacht und dunkel ist anders.

Irgendwie bin ich zum Schluss doch noch fast nach Lillehammer gekommen. Ich war dann aber Müde, staubig verschwitzt und durstig. Und hatte keine Lust, einen Zeltplatz azu suchen. Ich wollte eine warme Dusche und ein weiches Bett. Ein nettes, günstiges Hotel, das Honne Hotel in Biri am Mjøsa See, ein paar Kilometer südlich von Lillehammer, war mir lieber. Hier bekam ich alles, was ich mir erhoffte. Und ein ausgiebiges Frühstück obendrein. Das Zelt blieb wieder einmal eingepackt.

TCR #41 Lillehammer,Friisvegen und Mitternachtssonne

Montag, 16. Juni. Es ist Mitternacht und taghell. Ohne Schlafmaske kein Schlaf. Auch daran muss ich mich in den nächsten Tagen und Wochen gewöhnen. So wie daran, dass Ortschafte seltener werden und Orte mit Hotel eine Ausnahme sind. Campieren ist wieder angesagt.

Gestern hatte ich ein Hotel gefunden und dort eine angenehme Nacht und ein tolles Frühstück gehabt. Das war auch gutbso, denn heute warteten über 2000 Höhenmeter auf mich.

Bljck auf den Mjøsa

Los ging es in Biri, wo sich von der Terrasse des Hotels ein großer Ausblick auf den Mjøsa eröffnete. Zunächst dachte ich, der wäre ein See, so still und ruhig lag er da.

Erst bei der Weiterfahrt nach Lillehammer fand ich heraus, dass der Mjøsa ein Fluss ist.

Blick auf Lillehammer über den Mjøsa

Lillehammer ist Wintersport- und Serienfans bestens bekannt. Schon von weitem sieht man die Skisprungschanzen und der Ort selbst enttäuscht nicht. Die Hauptstraße, eine nette Fußgängerzone mit typisch norwegischen Holzhäusern und Geschäften. Viele davon Sportgeschäfte.  Natürlich auch etliche Lokale und Bars. Ich bin zwar in der Off-Season hierher gekommen, das Ambiente lässt aber vermuten, dass es hier auch während der Wintersaison gemütlicher zugeht als in vielen Alpen-Ressorts.

Kurz nach Lillehammer traf ich Goudin, der aus Paris mit dem Rad Richtung Nordkap unterwegs ist. Es war nett, einen gleichgesinnten Bikepacker zu treffen. Ein Stück fuhren wir auch gemeinsam entlang der E6 nach Norden, doch dann wich meine Route wieder von der Schnellstraße ab auf kleinere Nebenstraßen mit einigen Anstiegen. Goudin fuhr lieber an der E6 im Flachen weiter. Mir war dort zu viel Verkehr, also trennten sich unsere Wege wieder.

Mit Goudin, der von Paris zum Nordkap fährt.

Meine Route war zwar anstrengender, dafür hatte ich aber eine schöne Aussicht auf das Tal des Mjøsa.

Das Mjøsa-Tal nördlich von Lillehammer.

Beim Ort Fåvang, wo ich mich mit Essen und Trinken für den Tag eindeckte und Mittagspause machte, kam ich dann wieder zur E6. Und die rund 5 Kilometer, die ich bis Ringebu an der Schnellstraße fahren musste, zeigten mir, dass ich bei der Routenwahl für mich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Es gab keinen Begleitweg für Radfahrer. Ich musste am Seitenstsreifen der Straße fahren, der mitunter keinen halben Meter breit war. Zahlreiche LKW und noch mehr Autos donnerten an mir vorbei. Von Abstand halten beim Überholen hielt kaum jemand etwas.Es war wirklich kein Vergnügen.

Dann kam ich nach Ringebu und freute mich, von der E6 weg zu sein. Doch die nächste Überraschung folgte sofort. Meine Navi zeigte an, dass hier ein 24 Kilometer langer Anstieg mit 1100 Höhenmetern beginnt. Kurz war ich schockiert. Ich hatte nicht damit gerechnet, auf einen solchen Berg zu stoßen. Ich suchte nach einer Alternative. Doch es gab keine. Außer die E6.

Ich brauchte ein Gummibären-Doping und gab Katie auch noch ein wenig Kettenfett, bevor ich die Bergwertung anging. Die war natürlich mühselig und langwierig, aber auch sehr lohnend.

Ich war am Friisvegen gelandet, der die Täler Gudbrandsdalen und Østerdalen verbindet und zum höchsten Punkt des Gudbrandsdalen auf 1150 Meter führt. Je höher ich kam, desto beeindruckender wurden die Landschaft und der Ausblick.

Am Friisvegen

Ich nahm mir die Zeit, das Ambiente zu genießen. Wozu auch beeilen? Es würde die ganze Nacht lang hell bleiben.

Am Hochplateau des Friisvegen gab es noch Schneefelder

Der langwierigen Auffahrt folgte eine schöne und kurzweilige Abfahrt, wieder 24 Kilometer und 1000 Höhenmeter bergab. Purer Genuss.

Im Tal angekommen prüfte ich die Lage bezüglich Übernachtungsmöglichkeiten. Und das war beinahe ein Schuss in den Ofen. Es gab kein einziges Angebot in der weiteren Umgebung. Außer einen Campingplatz bei Atna. Zumindest konnte ich hier duschen. Und mein Zelt aufbauen. Schlafmaske auf, und gute Nacht!

TCR #42 Vangrøfta, Forollhogna nasjonalpark

Dienstag, 17. Juni. Ich hatte weder besonders gut noch besonders lang geschlafen. Mit der Schlafmaske hatte ich zwar die andauernde Helligkeit ausblenden können, die Temperatur war aber in der Nacht die keine war auf 5 Grad gesunken. Als ich aufwachte hörte ich außerdem, wie der Regen auf mein Zelt fiel. Wenn es nicht so unbequem gewesen wäre, hätte ich mich lieber nochmals umgedreht und weitergeschlafen.

Der Campingplatz in Atna

Also kochte ich Kaffee und Porridge, schlüpfte in meine Regenmontur und machte mich auf den Weg. Der auf den nächsten 54 Kilometern entlang der Schnellstraße E3 verlief.

Dort mit dem Rad zu fahren ist ohnehin kein Vergnügen, und erst recht nicht im Regen. Wenn der Seitenstreifen keinen halben Meter breit ist und LKW, Wohnmobile und Autos vorbeidonnern als wäre man nicht vorhanden und zum Regen von oben noch die Gischt von der Straße kommt, dann wird die Sache richtig unlustig.

Ich beschloss, beim nächsten Trucker-Stopp, der auf dieser Straße einmal kommen musste, Halt zu machen. Einen Kaffee zu trinken und etwas zu essen. Und beim darauf folgenden wieder, und dann wieder. Zumindest so lange der Regen anhielt.

Im Trucker-Stopp Hanestad an der E3

Ich musste gar nicht lange warten. Nach einer knappen Stunde kam ich zum Trucker-Stopp Hanestad und eine Lasagne und vier Tassen Kaffee später sah die Welt schon ganz anders aus.

Elch-Kunst, wie hier im Trucker-Stopp ist in Norwegen allgegenwärtig.

Auch der Regen hatte ein Einsehen. Nach meiner Pause klarte es auf, und nachdem auch die Straße aufgetrocknet war, konnte ich mein Regengewand wieder ausziehen. Es war zwar immer noch nicht lustig, an der E3, auch landschaftlich nicht, aber von da an zumindest erträglich.

An der E3 nach Norden

Schließlich hatte ich den Abschnitt auf der ungemütlichen E3 hinter mir, und sofort wurde auch die Landschaft wieder attraktiver. Und in Tynset gönnte ich mir einen Kaffee und ein großes Stück Oreo-Kuchen.

Zur Belohnung Kohlehydrate

Ich hatte wieder Spaß am Fahren, der im Grunde nur durch das wechselhafte Wetter getrübt wurde.

Bei Os / Osderdalen

Zwischendurch musste ich aufgrund einer überraschenden Straßensperre wieder einmal einen Extra-Weg nehmen, aber der war nicht dramatisch. Ich beschloss, so lange weiterzufahren, bis ich müde wäre und einen guten Platz zum Schlafen fände. Auf das Internet oder Booking.com konnte ich nicht zählen. Entlang meiner Route gab es kein Angebot, das ich am Rad mit halbwegs vertretbarem Aufwand erreichen hätte können.

Kurz nach dem kleinen Ort Dalsbygda führte mich mein Weg auf einer nicht mehr asfaltierten Straße in den Forollhogna Nationalpark am Fluss Vangrøfta. Und wie gerufen gab es dort einen großen Picknickplatz und eine kleine, einfache Schutzhütte für mich.

Der Fluss Vangrøfta
Eine einfache Hütte zum Schutz vor Wind  und Regen.
Wärmendes Feuer
Die Hütte bot gerade genug Platz um mein Zelt darin aufzustellen.
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2 Antworten zu “TCR – Blog | Woche 6”

  1. Wer braucht schon Bücher oder Zeitungen, wenn er deinen Blog lesen kann 👌👏 grandiose Reise, die mal durch deine Bilder und Schilderungen wunderbar miterleben kann!
    Viel Spaß noch! Beste Grüße, Florian

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