TCR – Blog | Woche 5


TCR #29 Agiles Routen-Management -> Mulhouse

Die fünfte Woche des TCR. Durchwachsen von Mulhouse ins deutsche Hinterland.

Mittwoch, 4. Juni. Mein Zeit- und Routenplan, an dem ich zuhause wochenlang getüftelt hatte, ist schon lange verworfen. Davon sind mittlerweile nur noch wenige Eckpunkte übrig. Eigentlich war das auch zu erwarten, schließlich war für mich vor Beginn der Reise vieles nicht absehbar und damit auch nicht einschätzbar.

Meine Regenhaut schützt zuverlässig vor Nässe. Schlechtwetter bremst dennoch.

Es ist wichtig, Projekte gut zu planen und vorzubereiten. Sonst verliert man schnell den Faden und das Unterfangen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Entscheidend ist aber, das Projekt danach laufend Realitäts-Check zu unterziehen. Und  – sofern das nötig ist – die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen, statt weiter falsch geplanten und unerreichbaren Zielen hinterherzujagen.

In der Start-up Welt nennt man das „agiles Management“. Man arbeitet in „Sprints“, das sind kleine und überschaubare Einheiten, und hält die Ziele und das Erreichte auf einem „Scrum Board“ fest. Hindernisse werden auf einem „Impediment Board“ notiert. So erkennt man Abweichungen schnell und kann bei Bedarf rasch gegensteuern.

Wenn man so will, dann ist mein Strava Account mein Scrum-Board. Dort werden automatisch die Ergebnisse meiner täglichen Fahrten, der einzelnen „Sprints“ hochgeladen. Und die Wetter-Apps meines Handys sind Teil des „Impediment Boards“.

Es wäre völlig idiotisch, wenn ich auf der einen Seite sehe, dass ein Ziel falsch gesteckt und somit nicht erreichbar ist. Zudem auf der anderen Seite sehe, dass es ein großes Hindernis gibt. Und dennoch weiter an der vorab definierten Route festhalten würde.

Man kann dazu jetzt „agiles Management“ sagen oder einfach nur „mit Hausverstand handeln“. Jedenfalls bin ich längst zu einer dynamischen Planung übergegangen und gestalte meine Route laufend um. Am Abend sondiere ich die Bedingungen und die Möglichkeiten und überlege mir dann Wege, die mich weiterbringen können. Am Morgen, erst kurz vor Fahrtantritt, entscheide ich, welchen Weg ich einschlage. Es passiert dann aber noch immer, dass ich mich unterwegs wieder anders entscheide.

Heute war mein Weg der nach Mulhouse und Straßburg, entlang des Laufs und der Kanäle des Doubs und des Allan. Sowie anschließend des Rhone-Rhein-Kanals.

Am Doubs-Kanal

Der Grund dafür ist schlichtweg das etwas weiter westlich festsitzende Tiefdruckgebiet. Das wird dort noch bis zum Wochenende schwere Gewitter und viel Regen bringen.

Letzte Nacht in Besancon hatte es die ganze Zeit durchgeregnet und am Vormittag ebenfalls noch ziemlich stark weitergeregnet. Ich bin daher heute in kompletter Regenmontur in den Tag gestartet, und das erst spät. In der Erwartung, dass ich das Regenwand erst am Abend wieder ausziehen können werde.

Es war dann weit weniger schlimm als erwartet. Ich war erst eine knappe Stunde unterwegs, als der Regen aufhörte und sogar die Sonne durch die Wolken kam.

Wolkenverhangen, aber zumindest regenfrei am Kanal.

Nur einmal holte mich das Schlechtwetter in Form eines Gewitters noch ein. Glücklicherweise war da gerade wieder eine Bushaltestelle in der Nähe, in der ich mich unterstellen konnte. Nach gut einer halben Stunde konnte ich meine Fahrt auch wieder fortsetzen, die meiste Zeit bis nach Mulhouse schnurgerade an einem der Flusskanäle entlang. Das war schön, wenn auch auf Dauer etwas eintönig. Aber immerhin kam ich dabei auch recht flott voran. Ein Punkt für die Kanal-Route.

Am Rhone-Rhein-Kanal

Und wie es weitergeht, entscheide ich morgen.

TCR #30 Ein Downer am Weg nach Straßburg

Donnerstag, 5. Juni. Der heutige Tag hätte ein richtig guter werden können. Ich hatte recht behalten mit meiner nach dem Wetter ausgerichteten Routenplanung. Und ich hatte nicht nach Afrika fahren müssen, um dem Regen auszuweichen, wie mein Freund und Meterologe Andreas Jäger im Scherz gemeint hatte. Es hatte genügt, ein wenig nach Osten zu fahren.

Ich beeilte mich also mit dem Frühstück, um rasch loszukommen. Mein Plan war, heute über Straßburg nach Deutschland zu fahren und dort  noch etliche Kilometer weiterzukommen.

Das schien auch recht gut zu funktionieren. Die Strecke war einfach, der Wind gnädig und die Temperatur bei knapp über 20 Grad ideal zum Radfahren. Ich kam auch gut voran und amüsierte mich über die Deutschen Namen der Ortschaften, die ich passierte.

Brunstatt, Zillisheim, Heimsbrunn, Wittelsheim, Feldkirch und Merxheim.

Feldkirch – fast schon zuhause?

Feldkirch … und Merxheim … während mir der Gedanke durch den Kopf ging, dass es lustig wäre, wenn Eddy Merckx hier zuhause wäre, wurde ich jäh in die Realität des Tages zurückgeholt. Bei einem Blick zurück sah ich, dass meine linke Packtasche fehlte. Sie musste bei einem Schlagloch oder einer der vielen Rampen, die es in Frankreich vor und nach Fußgängerübergängen gibt, vom Gepäckträger geschleudert worden sein.

Sofort hielt ich an, drehte augenblicklich um und begann den gleichen Weg, den icb eben gefahren war, wieder retour zu fahren. In der Packtasche war mein Radgewand. Also alles bis auf das, was ich im Moment angezogen hatte.

Meine Trikots zum Wechseln, die zweite Bib-Short, mein warmes Langarmtrikot, eine Jacke, Socken, Handschuhe, Tücher, … alles, was ich für die Fahrt in den Norden eingepackt hatte. Obendrein hatte ich in der Nacht meine Regenhose im Zimmer zum Trocknen aufgehängt und ebenfalls in die Tasche gegeben. Außerdem waren noch meine Toilettartikel sowie der Ladestecker und die Ladekabel für die elektronischen Geräte in der Tasche, und außen war eines meiner beiden Rücklichter montiert.

Der Schock saß tief. Ich hätte heulen können. Ich musste die Tasche einfach wieder finden. Kilometer um Kilometer fuhr ich zurück, bis ich nach fast 30 Kilometern zu dem Punkt gekommen war, an dem ich zuletzt Rast gemacht hatte und bei dem ich mir sicher war, die Tasche noch gesehen zu haben. Mit jedem Kilometer schwand die Hoffnung weiter, bis ich sie schließlich gänzlich aufgeben musste. Da war nichts. Die Tasche war weg.

Erneut fuhr ich den gleichen Weg , bis zu der Stelle, an der ich den Verlust bemerkt hatte. Eine Frau kam mir mit einer ähnlichen Ortlieb-Tasche am Rad entgegen. Ich schrie sie an und nötigte sie zum Anhalten. Um mich, als ich meinen Irrtum bemerkt hatte, zu entschuldigen. Die Arme war so erschrocken, dass sie regelrecht zitterte.

Stimmungskiller: die linke hintere Packtasche mit meinem Radgewand war nicht mehr zu finden.

Drei Stunden lang hatte ich vergeblich nach der Tasche gesucht. Ich war am Boden zerstört und dachte: „So, das war es jetzt. Wie willst du ohne die Sachen ans Nordkap kommen?“

Ein paar Telefonate und aufmunternde Worte später keimte wieder Hoffnung auf. Es waren schließlich nur Dinge. Unterwegs vielleicht schwierig und auch etwas kostspielig zu ersetzen. Eine neue Herausforderung, die ich bei meinem Abenteuer meistern musste. Aber keine unüberwindbare Hürde.

Ich fuhr zurück in den letzten Ort, in dem ich eine Patisserie gesehen hatte und bekämpfte den Schock mit einem Zuckerschock aus Cola und Croissants, was weiter half. Dann beschloss ich, weiter nach Straßburg zu fahren, mir dort ein Zimmer zu nehmen und morgen Ersatz zu suchen. Am Weg machte ich noch in zwei Intersport-Filialen Halt, doch die waren für meine Bedürfnisse schlecht sortiert.

Kein Glück bei Intersport

Straßburg also. Morgen Vormittag. Ich zähle auf die Spezial-Shops der Stadt. Und wenn ich hier nicht alles finde, dann muss ich die Suche eben in Deutschland fortsetzen. Es wäre doch gelacht!

TCR #31 Shopping, Regen und ein netter Abend mit Kathrin und Jens

Freitag, 6. Juni. Zeit lassen und nehmen. Für die Momente und Dinge, die einem gut tun. Sollte man eigentlich immer machen. Und erst recht, wenn man moralisch angeknackst ist.

Heute war so ein Tag, an dem ich Zeit brauchte. Als ich aufwachte, waren meine Gedanken gleich wieder bei dem Missgeschick von gestern. Es war so schade um die guten Sachen, aber dem Verlorenen nachzutrauern machte die Lage nicht besser. Ändern konnte ich die Situation nur, wenn ich nach vorne schaute und eine Lösung fand. Ehe ich mich damit beschäftigen würde, war es jedoch Zeit für ein richtig gutes und ausgiebiges Frühstück. Diese Zeit brauchte ich jetzt, damit der Verlust nicht mehr so schwer im Magen lag.

Am Morgen in Straßburg. Der Frust-Level lag noch ziemlich hoch.

Ich gehöre eigentlich grundsätzlich zu der Gruppe von Menschen, die zum Frühstücken gerne in ein nettes, kleines Lokal geht. Ein Lokal, in dem liebevoll zubereitete Müslis, Omelettes und verschiedene andere Gerichte serviert werden. In dem Brot und Kuchen selbst gebacken werden, der Kaffee aus der Espressomaschine kommt und der Orangensaft frisch gepresst wird.

Hotel-Frühstücksräume können diese Vorstellung selten erfüllen. Jedenfalls nicht in der Kategorie Hotel, in der ich auf meiner Reise absteige. Hier haben Frühstücksräume oft den Charme von Bahnhofswartehallen, der Kaffee und der O-Saft kommen aus dem Automaten und der Ķäse und die wenigen Scheiben Wurst sehen eben aus wie sie aussehen, wenn sie seit einigen Stunden unter der Glocke liegen.

Inzwischen weiß ich diese Räume dennoch zu schätzen. Hier bekomme ich Nahrung so viel ich möchte, kann x-Mal zum Kaffee- und Saftautomaten gehen und Menschen beobachten. Den gestressten Business-Typ, der nur hastig einen Kaffee trinkt, junge Paare, die ihren Sightseeing-Tag planen und Alleinreisende wie ich, die einfach so lange frühstücken, bis das Buffett weggeräumt wird.

Doch was hätte ich sonst tun sollen, wenn die Geschäfte erst um 10:00 Vormittag aufsperren? Das Essen tat mir gut.

In Straßburg. Ich hatte noch kein Auge für die Schönheit der Stadt. Sie präsentierte sich aber auch im grauen Regengewand.

Als es dann endlich Zeit für meine beabsichtigten Einkäufe war, entpuppten sich die zuvor ausfindig gemachten Bike-Shops in Straßburg und dann auch in Kehl – ja, war über die Rhein-Brücke gefahren und plötzlich in Deutschland angekommen – als für meine Bedürfnisse eher schlecht sortiert. Also wurde umgehend Plan B aktiviert. Statt alles neu zu kaufen würde ich ein Care-Paket mit den benötigten Kleidungsstücken aus meinem eigenen Schrank zuhause bekommen. Ich musste nur noch eine neue Regenhose und eine Packtasche finden. Den Rest würde dann meine Schwester in einer Kurierfahrt noch am Pfingstwochenende bringen.

Bei Sport Kuhn in Offenburg fand ich schließlich, was ich brauchte. Ohne meine Kreditkarte übermäßig beanspruchen zu müssen konnte ich meine Fahrt fortsetzen.

Nach der langen Zeit, die ich bereits unterwegs war und in der ich mich mit meinen wenigen Brocken Spanisch oder Französisch hatte durchschlagen müssen, war es auf eine gewisse Weise erleichternd, wieder in einem Land zu sein, in dem Deutsch gesprochen wird. Ein Land, in dem ich auch tatsächlich verstand, was die Menschen sagten. Und in dem sie auch mich verstanden. Mit meinem Englisch hatte ich bisher auch wenig anfangen können. Es war schon ein wenig wie nach Hause zu kommen. Obwohl es erst Deutschland war.

Food-Stop bei einem Edeka-Markt. Als ich Kati abstellte, stand dort ein weiteres, schwer bepacktes Gravel-Bike. Es war das Rad von Adrian, der aus dem Schwarzwald gekommen und unterwegs Richtung Südfrankreich war. Wir unterhielten uns kurz und tauschten uns aus. Das tat mir gut. Schade, dass sich unsere Wege danach auch gleich wieder trennten. Alleine zu reisen ist schön. Aber heute hätte ich gerne ein Stück weit Begleitung gehabt.

Ein Erinnerungsfoto mit Adrian. Alles Gute für den Weg.

Kaum hatte ich mich von Adrian verabschiedet, da setzte auch der Regen wieder ein. Es war Zeit, die Regenmontur wieder anzuziehen. Und auch gleich die neue Regenhose einem Härtetest zu unterziehen. Ich konnte von Glück reden, sie kurz zuvor gekauft zu haben.

Die restliche Fahrt des Tages war geprägt von Regen, Regen und nochmals Regen. Es gab keine Sekunde Pause mehr. Nur die Intensität schwankte zwischen stark und noch stärker.

Irgendwann war ich in Baden-Baden. Unter einer Brücke suchte ich Schutz vor dem Regen, um mein Handy herauszuholen und nachzusehen, wie spät es denn spät es denn wäre. Es war bereits 18:40. Und nachdem es immer noch regnete, beschloss ich, es für heute gut sein zu lassen. Ich war immerhin fast 100 Kilometer weit gekommen, was für den Tag nicht übel war.

Später am Abend hatte ich dann doch noch Gesellschaft. Jens und Kathrin, die mir über meinen Blog gefolgt waren und in der Nähe meines Hotels leben, kontaktierten mich. Sie wollten sich mit mir treffen und mehr über meine Reise erfahren. Gerne erzählte ich. Es war schön, einmal einen Abend nicht alleine im Hotelzimmer zu verbringen. Danke euch beiden dafür.

TCR #32 Kleider-Express nach Bad Kreuznach

Samstag, 7. Juni. Als ich aufwachte prasselte der Regen hart gegen die Fensterscheibe meines Zimmers. Was mich nicht gerade begeisterte. Doch die Wetter-Apps ließen Hoffnung  aufkommen: am späteren Vormittag sollte der Regen abklingen, danach sollte es den weiteren Tag trocken bleiben.

Also nutzte ich den Vormittag, um die Dinge zu besorgen, die ich mit meinen Rad-Klamotten verloren hatte: einen Power-Plug, Ladekabel und einige Toilettartikel. Und Proviant, denn das Pfingstwochenende stand vor der Tür. Das bedeutete, dass es bis zum Dienstag schwieriger sein wird, unterwegs Essen und Trinken einzukaufen. Und ein Frühstück wollte ich auch noch bevor ich wieder losfahre.

Vormittag am Markt in Rastatt. Regen gibt Zeit für Erledigungen.

Ein Ort wie Rastatt ist für einen Reisenden wie ich einer bin ideal, um all das in relativ kurzer Zeit erledigen zu können. Es gab einen Markt und einige kleinere Geschäfte, die alle fußläufig erreichbar waren. Und dann fand ich auch noch ein nettes, kleines Frühstückscafe.

Ein bisschen Genuss zum Frühstück: Avocadobrot mit 2 Eiern, Kaffee, Tee und ein süßer Abschluss.

Als ich damit fertig war, hatte es tatsächlich zu regnen aufgehört. Ich holte Katie aus dem Zimmer und fuhr los. Vor mir lag ein schönes Stück Weg. Ich musste nach Bad Kreuznach, das gut 170 Kilometer entfernt war. Meine Schwester hatte sich dankenswerter Weise bereit erklärt, mir von zuhause Fahrradbekleidung zu bringen, damit ich nicht alles neu kaufen muss und meine Reise weitergehen kann.

Die Fahrt führte mich zunächst am Rhein-Radweg entlang, noch einmal nach Frankreich und vorbei an Fischern und an riesigen Parkplätzen, an denen tausende Autos der Marke Mercedes geparkt waren. Fabriksneu und bereit, um in die Welt verschifft zu werden.

Mercedes-Parkplatz bei Lauterbourgh.

Zurück in Deutschland kam ich in das Weinbaugebiet der Pfalz, wo sich zahlreiche kleine Winzer-Orte aneinander reihten. Für eine Weinkost hatte ich jedoch keine Zeit. Während der Fahrt hätte ich außerdem ohnehin keinen Wein getrunken.

Ein typisches Pfälzer Winzerhaus

Die Zeit verging, Kilometer um Kilometer näherte ich mich Bad Kreuznach. Die Landschaft erinnerte dabei sehr an zuhause. Zwischendurch machte ich an einer Grillbude Halt um einen Veggie-Burger zu essen. Und das Wetter hielt tatsächlich bis zum Abend durch. Erst dann musste ich wieder einmal mein Regengewand auspacken.

Zum Abschluss des Tages gab es noch ein paar kleinere Überraschungen. Eine Gravel-Passage, eine Straßensperre, die mich zu einem Umweg über einen steilen, nicht asfaltierten Frldweg zwang. Der hätte gut zu „Strade Bianche“ gepasst, hat mich aber nach bereits 160 Kilometern Fahrt nicht mehr wirklich begeistert.

Überraschung! Straßensperre und Umleitung über einen steilen Wirtschaftsweg.

Das finale Sahnehäubchen war dann der Anstieg nach Felbingert bei Bad Kreuznach, den ich dann schon in völliger Dunkelheit fahren musste. Dann endlich war ich am Ziel des Tages angelangt, wo mich meine Schwester Andrea bereits mit dem Care-Paket von zuhause erwartete. Schön, dass das geklappt hat. Und dass sie die Fahrt auf sich genommen hat. Für mich gab es aber nur noch drei Dinge, die mich intrressierten: essen, duschen und schlafen.

TCR #33 Frühstück mit Andrea, müde am Rhein und in den Taunus

Sonntag, 8. Juni. Über ein Monat bin ich nun schon unterwegs, und die meiste Zeit davon ohne jemand zum Reden zu haben. Das hat mitunter groteske Folgen. Ich unterhalte mich mit fiktiven Weggefährten, Freunden und Familienmitgliedern, die nicht da sind, spreche mir selbst laut Mut zu oder rede mit Katie, meinem Rad. Ich frage sie, ob wir Pause machen sollen, schimpfe sie, wenn sie sich bergauf allzu anhängt und schwer macht. Mit Andrea frühstücken zu können war daher eine willkommene Abwechslung, die auch ausgiebig zelebriert wurde

Beim Frühstück mit Andrea

Dann verabschiedeten wir uns auch schon wieder und ich setzte meine Reise fort.

Die Nahe bei Bad Kreuunach

Von Feilbingert rollte ich hinunter in den Kurort Bad Kreuznach an der Nahe, der wie mir schien auch schon bessere Tage gesehen haben muss. Ich war jedenfalls froh, als ich den Ort endlich hinter mir hatte und am Rhein enang weiterfahren konnte.

Der Rhein bei Bingen mit den Terrassen für den Weinanbau

Richtig ins Fahren gekommen bin ich aber auch da nicht wirklich. Erstens war der Radverkehr entlang des Flusses an diesem Pfingstsonntag doch erheblich. Und zweitens merkte ich, wie müde ich von dem langen Fahren am Vortag noch war.

Die Burg Reichenstein bei Trechtinghausen

In Trechtinghausen machte ich daher an einem netten Rastplatz direkt unter der Burg Reichenstein einmal lange und ausgiebig Pause.

Pause am Rastplatz in Trechtinghausen

Etwas ausgeruht und besser motiviert fuhr ich danach weiter, um kurz darauf zur Rheinfähre nach Lorch zu kommen. Die musste ich nehmen, um wieder auf die andere Seite des Flusses zu kommen. Es ist ein wenig erstaunlich, wie wenig Brücken es in Deutschland über den Rhein gibt.

Auf der Rheinfähre nach Lorch

An der Ostseite des Flusses kam ich dann in das schöne, naturbelassene Wispertal am Taunus-Gebirge.

Im Wispertal

Im Tal und im Taunus scheint auch ein wenig die Zeit stillzustehen. Es gibt nur wenige Siedlungen, oft nur einzelne Häuser, Gastronomiebetriebe, die aber allesamt geschlossen waren. Und obwohl die Berge hier nicht besonders hoch sind, gibt es dennoch sportliche Anstiege mit teils steilen Rampen. Einer davon war der Ziegenkopf, von dessen Höhe ich dann einen schönen Ausblick über den Taunus hatte. Ich fühlte mich an das obere Mühlviertel erinnert.

Ausblick vom Ziegenkopf über den Taunus

Anschließend war es auch schon Zeit, einen Platz zum Übernachten zu suchen. Den fand ich in Limburg an der Lahn, wohin ich mich dann navigieren ließ und prompt wieder auf Forststraßen durch den Wald geschickt wurde.

Forststraße durch den Taunus

Ja. Schön. Wenn man frisch in eine Ausfahrt startet oder kurz mit dem Rad in den Wald möchte. Wenn man aber bereits stundenlang unterwegs ist und eigentlich nur noch möglichst rasch an den Zielort und zum Abendessen kommen will, ist das dann doch nicht der beste Weg.

Ein alter Ford Taunus im Taunus

Nach den ersten Kilometern durch dene Wald habe ich dann die Navi abgetellt und mir eine Route an der Straße erstellt. Eine gute Entscheidung, denn Limburg war auch so noch über 20 Kilometer und rund eine Stunde entfernt. Wer weiß, wie lange es über die vorgeschlagene Fahrradroute gedauert hätte, bis ich angekommen wäre …

TCR #34 Pfingstmontag. An der Lahn und weiter ins Deutsche Nirgendwo

Montag, 9. Juni. Es ist ärgerlich, von der eigenen Navi in die falsche Richtung geschickt zu werden. So wie das heute am Beginn der Fahrt in Limburg passiert ist. Umwege habe ich nämlich schon genug gemacht, und eigentlich möchte ich durch Deutschland nur so rasch wie möglich durch, um nach Dänemark und dann weiter nach Schweden und Norwegen zu kommen.

Limburg, der Ort in dem ich übernachtet hatte weil es dort ein günstiges Zimmer gab, liegt etwas westlich von meiner geplanten Route. Und statt mich auf dem direkt

en und kürzesten Weg dorthin zurück zu führen, wie das normalerweise der Fall ist, lotste mich meine Navi Richtung Süden. Es dauerte eine Weile, bis ich das bemerkt hatte und den Kurs änderte. In der ersten Stunde hatte ich daher zwar einige Kilometer gemacht, aber nur wenige davon in die gewünschte Richtung.

Ein Feldweg, bei Runkel, irgendwo in der Mitte Deutschlands

Dann kam ich an die Lahn, entlang der es einen eigentlich ganz netten und gut fahrbaren Radweg Richtung Nordosten gibt. Etwas problematisch daran war nur der Pfingstmontag, an dem nicht nur ich alleine die Idee hatte, hier entlang zu fahren. Am Fluss waren zahlreiche Kanufahrer unterwegs, die genüsslich flussabwärts paddelten, am Radweg noch mehr Gruppen Radfahrer, meistens mit E-Bikes, und Spaziergänger, oft mit Hunden, die mein Klingeln häufig ignorierten.

An der Lahn. Nett hier. Das zieht auch viele Feiertags-Ausflügler an.

Dann kam der Hunger. Außer einer Banane, ein paar Riegel und Gummibären hatte ich nichts mehr zu essen. Damit konnte ich mich zwar über einen Hungerast retten, aber nur süß war dann auch nicht so toll. Und am Pfingstmontag Nachmittag machten auch die Gasthäuser, an denen ich vorbeikam, reihenweise blau. Es dauerte eine Weile, bis ich zumindest eine geöffnete Backstube gefunden hatte, in der ich dann einen Coffee-Stop einlegen und dazu zwei Käseweckerl essen konnte.

Coffee-Stop. Endlich ein wenig zu beißen.

Als ich Marburg durchquert hatte, war mir klar, dass ich nicht mehr rechtzeitig zu dem Campingplatz kommen würde, den ich als Tagesziel angepeilt hatte.

Lahnbrücke bei Weilburg

Egal. Es gibt ja Booking.com. Damit hatte ich – mit Ausnahme des ersten Feiertags-Wochenendes in Frankreich – immer schnell einen Platz zum Schlafen gefunden.

Nur befand ich mich eben gerade in einem wirklich sehr ländlichen Teil Deutschlands, bei Münchhausen. Und die nächsten leistbaren Unterkünfte waren allesamt etliche Kilometer entfernt.

Es war schon wieder spät geworden, und seit die Sonne tiefer stand auch ziemlich frisch. Der Hunger war wieder da. Ich bekämpfte ihn mit einem Riegel und einer Hand voll Gummibären. Und ich musste noch fast eine Stunde fahren, bis ich in dem kleinen Dorf Wollmar angekommen war, wo ich im Landgasthof zur Linde ein Zimmer gefunden hatte.

Mit Gastwirt und Koch „Ollie“ im Gasthof zur Linde.

Dort war Wirt Ollie noch so nett, selbst nochmals in die Küche zu gehen und mir ein warmes Abendessen zuzubereiten. Danke dafür. Und für die nette Plauderstunde. So gestärkt kann es weitergehen Richtung Hannover.

TCR #35 Aprilwetter in Deutschland. Höxter, nicht Hannover

Dienstag, 10. Juni. Es fällt mir bisher nicht leicht, mit Deutschland richtig warm zu werden. Das Land hat mir heute wieder seine nasskalte Schulter gezeigt. Die angekündigte warme Sahara-Luft lässt weiter auf sich warten.

Heute war typisches Aprilwetter. Vom Morgen an war es windig und frisch. Ich habe mich daher gleich bei der Abfahrt gut eingepackt.

Anfangs kamen noch einige Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke, doch damit war bald Schluss. Schlecht für die Motivation. Zumal ich ohnehin Tag für Tag merke, dsss ich müder werde. Es wird Zeit, einen Ruhetag einzulegen. Einmal richtig ausschlafen und regenerieren. Kraft tanken für Skandinavien, damit ich die Weiterfahrt auch richtig genießen kann.

Die heutige Fahrt führte mich durch eine Landschaft, die stark an das Waldviertel erinnerte. Vielleicht mit etwas gnädigeren Hügeln. Es muss ja nicht alles immer super-giftig sein.

Bei Lichtenfels

Frankenberg ist mir durch seine Gerüche in Erinnerung: Zuckerwatte Gummi. Dort kam ich nämlich zuerst am großen Pfingst-Jahrmarkt und dann an der Continental-Reifenfabrik vorbei.

Danach ins Twistetal und den Twistestausee, einem an und für sich beliebten und auch belebten Badesee mit einigen Gastro-Buden. Ich hätte dort gerne Pause gemacht und etwas gegessen und einen Kaffee getrunken. Wegen des Schlechtwetters war jedoch alles geschlossen, also musste ich mich weiter an meine Riegel halten. Erst einige Ortschaften weiter kam ich an eine geöffnete Backstube und an einen Kaffee, mit Bienenstich als Zucker-Shot.

Meine Fahrt ging weiter, das Wetter wurde schlechter. Ich verlor dene Faden. Hatte keine Lust, im immer wiederkehrenden Nieselregen wie geplant so weit wie möglich an Hannover heranzufahren.

Bei Beverungen. Hier beschloss ich, es für heute bleiben zu lassen.

Kurz vor 18:00 Uhr war ich in Beverungen. Ich checkte mir noch ein Zimmer für die Nacht im nahen Höxter, und das war es dann auch für heute. Ausruhen, schlafen. Morgen ist auch noch ein Tag. Und der soll wettermäßig sogar deutlich besser werden.

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