Die Dritte Woche des TCR. Von Nordspanien an die französische Mittelmeerküste. Dazwischen der Tourmalet!
TCR #15 Alberto, San Sebastian und Frankreich
Mittwoch, 21. Mai. Was macht man am besten, wenn die Endorphine einen irren Glückstanz veranstalten? Das Gefühl und die Stimmung genießen. Erst recht, wenn man gerade an einem wunderschönen Flecken Erde ist.
Es war erst 6:00, als ich in meinem kleinen 1-Mann-Zelt vom Zwitschern der Vögel geweckt wurde. Noch etwas verschlafen kroch ich aus meiner Schlafstätte und sah, wie die Sonne langsam über dem Golf von Biskaya aufging. Am ohnehin verträumten Campingplatz Itxaspe war noch alles ruhig. Ich nahm mein Kochgeschirr, ging damit zu einem der bereitstehenden Picknicktische mit Blick auf das Meer, kochte Kaffee und Porridge und genossen die Magie des beginnenden Tages.
Es dauerte eine Weile, bis ringsum mich weitere Menschen aus ihren Zelten und Mobile Homes kamen. Alle schienen zufrieden und glücklich, mit sich im Reinen zu sein.
Dann war es Zeit, meinen Frühstücksplatz wieder zu räumen, das Zelt abzubauen und an die Weiterreise zu denken. Ich ließ mir viel Zeit dabei. Hatte keine Eile, wegzukommen. Und freute mich, als mich Martin und Alexandra, das Schweizer Paar, das sich neben mir mit einem Motorhome eingerichtet hatte, noch zu einem weiteren Kaffee einluden.
Nach einer sehr netten Unterhaltung war es aber endgültig Zeit, wieder loszufahren. Im Campingplatz-Shop kaufte ich noch eine Packung Kekse und eine Dose Orangenlimonade, und dann steuerte ich KATIE wieder Richtung Norden, die Küste entlang.

Der Küstenstreifen ist schon sehr speziell. Während – bei einer Fahrt nach Norden – rechterhand Wiesen und Hügel an zuhause und das Gebiet rund um Scheibbs erinnern, bricht die Landschaft linkerhand zum Meer ab, ähnlich, wie man es von der ligurischen Küste kennt. An Buchten mit Badestränden liegen kleinere, charmante Städtchen. Ich mache noch einige Male Halt, um die Aussicht zu genießen.

Meine Navi zeigt mir, dass kurz nach dem kleinen Ort Orio ein steiler Anstieg folgt. Und weil es bereits nach Mittag ist – und die morgens gekauften Kekse mein einziges verbliebenes Essen sind, suche ich ein Lebensmittelgeschäft. Doch noch ehe ich eines gefunden habe, habe ich den Ort auch schon wieder durchfahren.
Gerade als ich überlege umzukehren, fährt ein älterer Rennradfahrer an mir vorbei und signalisiert mir, ihm zu folgen.
Es ist Alberto, der in Orio zuhause ist und wissen möchte, woher ich komme ud wohin ich fahre.

Von meinem Vorhaben, von Tarifa ans Nordkap zu fahren, begeistert, lädt er mich spontan auf einen Mittags-Snack und eine Cola ein. Alberto ist 77 Jahre alt und fährt jedes Jahr 20.000 Kilometer mit dem Rad. Er zeigt mir Fotos von seinen letzten Touren, ich ihm von meiner bisherigen Reise.
Als ich ihm meine weitere Route nach San Sebastian zeige, beschließt er, mich ein Stück dorthin zu begleiten. Er holt sein Mountainbike aus der Garage und gleich geht es rein in den Anstieg auf den Igueldo. Albertos Hausberg, den, wie er stolz berichtet, erst eine Woche zuvor die World-Tour-Profi-Damen im Rahmen der Vuelta gefahren sind. Und der auch fixer Bestandteil des Profi-Radrennens Classica San Sebastian ist.

Nach fünf Kilometern und 300 Höhenmetern sind wir oben angelangt. Alberto macht noch ein Erinnerungsfoto von Katie und mir, wir tauschen Kontaktdaten aus, und dann geht die Reise wieder für mich alleine weiter.
Zunächst fein bergab nach San Sebastian, wo ich direkt in der wunderschönen Bucht der Stadt ankomme.

Der Himmel ist zwar mittlerweile wolkenverhangen, doch Der Ausblick auf die Stadt ist dennoch umwerfend.
Leider sind die geöffneten Sportgeschäfte der Stadt nicht so gut sortiert wie erhofft, weshalb ich nach anderen entlang meines Weges suche. Die besten Optionen scheint es in Biarritz zu geben. Daher beschließe ich, noch dorthin zu fahren. Und somit nach Frankreich.
Die Grenze nach Frankreich zu überschreiten war dann für mich kein so erhebender Moment wie die Ankunft an der spanischen Nordküste.
In der Mitte einer kleinen Brücke über die Fluss Bidasoa standen etwas gelangweilt zwei Polizisten, denen ich völlig gleichgültig war. Auf der anderen Seite des Flusses ein Schild mit der Aufschrift „Département des Pyrénées-Atlantiques“, das war es schon.

Dennoch war es ein Anlass für einen kleinen Jubel. Der Vuelta-Teil meiner Reise lag hinter mir. Jetzt ging es an die Tour-de-France-Etappen.

Und weiter nach Biarritz, wo ich es zum ersten Mal erlebte, dass mir kein Platz angeboten wurde, um mein Rad einzustellen und mir auch nicht gestattet wurde, es mit aufs Zimmer zu nehmen. Ich sollte es an der Straße
Nach einigen Diskussionen und Erklärungen, dass dies für mich wäre, stornierten die Besitzer meine Buchung.
Ich zog ein paar Häuser weiter, checkte ein und machte mich frisch für das Abendessen. Jetzt muss nur noch morgen der Rad-Shop in Biarritz geöffnet sein.
TCR #16 Pau, das Tor zu den Pyrenäen
Donnerstag, 22. Mai. Heute hat einmal fast alles so geklappt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Doch nur fast. Denn es gab wieder Unvorhergesehenes, das mich auf die Probe stellte. Mittlerweile kann ich im Grunde nur noch darüber lachen. Das gehört eben zu den Herausforderungen, die ich bewältigen muss, wenn ich mich auf ein derartiges Solo-Abenteuer einlasse.
Ich dachte vor Beginn meiner Reise, dass das Wetter die größte unberechenbare Variable ist. Doch weit gefehlt. Wie das Wetter wird, kann ich mithilfe verschiedener Apps eigentlich ganz gut vorhersehen und mich darauf einstellen. Es sind die zahlreichen unerwartenden und daher auch unplanbaren Probleme und Schwierigkeiten, die mich herausforden.

Plan #1 in meiner Tagesliste hat jedenfalls noch sehr gut funktioniert. Der war, beim Frühstücksbuffett im Hotel ordentlich zuzuschlagen. Ich denke, dass ich dieses Planziel sogar übererreicht habe. Unterstützt wurde ich dabei dadurch, dass genau während ich frühstückte ein Regenschauer über Biarritz niederging. Und da ist die beste Option schlichtweg, noch einen Kaffee zu trinken und einige weitere Kohlehydrate und Proteine nachzulegen.

Plan #2 klappte ebenfalls perfekt. In einem Surfer-Shop fand ich Ersatz für meine verloren gegangenen, leichten und wassertauglichen Off-Bike-Schuhe.
Plan #3 sowieso. Ich hatte den kleinen, aber feinen Fahrradladen „Popular Cycling“ in Bayonne ausfindig gemacht und erhielt dort promptes Service. Flugs waren auch schon zwei neue Reifen an Katie montiert.

Nach einem weiteren Mittagssnack konnte ich meine Fahrt schließlich fortsetzen. Plan #4, heute noch nach Pau zu fahren, wurde damit eingeleitet. Mein Weg führte mich flussaufwärts am Fluss Adour entlang, der in den Pyrenäen entspringt

Viele Kilometer lang radelte ich durch das fruchtbare, grüne Tal und freute mich, dass weitere Regenschauer ausblieben. Weizenfelder, Apfel- und Kiwiplantagen und Gemüseanbau prägen das Land. Dazwischen schlichte Straßenörfer mit einfachen Häusern. Selten ein größerer Ort.

Alles lief wie am Schnürchen. Auch der Westwind half mit, ich kam gut voran und zählte anhand der Straßenbeschilderung die Kilometer herunter.
Doch dann, ungefähr 5 Kilometer vor dem Ziel, bemerkte ich, dass meinem Hinterreifen langsam die Luft ausging. Da ich schon so nahe an Pau war, wollte ich das Problem kurzerhand beheben, indem ich einfach etwas Luft nachpumpe. Was Folgen hatte. Die Pumpe funktionierte nicht mehr. Und alas ich sie wieder abzunehmen versuchte, schraubte sich dabei der Ventileinsatz aus dem Schlauch, und die Luft entwich komplett.
Ich hatte zwar noch Ersatzschläuche und Pickzeug, aber keine Pumpe und auch keine CO2-Patrone mehr, um einen neuen Schlauch aufpumpen zu können. Es war wirklich verflixt.
Also schob ich Katie bis zur nächsten Siedlung und klingelte an einigen Türen, bis jemand öffnete und mir mit einer Pumpe aushalf.
Glücklich darüber konnte ich meine Fahrt fortsetzen und kam sogar noch an, bevor es finster war.

Später, im Hotel, während ich diesen Blog-Eintrag schrieb, bemerkte ich, daas der Reifen schon wieder platt ist. Es hilft also nichts. Ich muss morgen schon wieder in einen Bike-Store. Und werde Katie dorthin schieben müssen. Ich brauch dringend eine neue Pumpe.
TCR #17 Startklar für den Tourmalet
Freitag, 23. Mai. Heute war mir von Anfang an klar, dass ein Bummel-Tag ansteht. Alles Andere wäre sinnlose Energieverschwendung gewesen.

Von Pau, wo ich übernachet hatte, sind es nämlich rund 85 Kilometer nach Luz-Saint-Sauveur, dem Ort, in dem der Anstieg auf den Col du Tourmalet beginnt. Von hier weg windet sich die Straße über 19 km und 1400 Höhenmeter bis zum Passübergang auf 2115 Meter.
Im Winter hatte ich dafür, zuhause, im Keller am Smart Trainer, ziemlich genau eineinhalb Stunden gebraucht. Mit KATIE und dem ganzen Gepäck würde das vermutlich doppelt so lange dauern. Inklusive Abfahrt müsste ich für die Befahrung des Berges daher etwa vier Stunden kalkulieren. Jedenfalls zu viel, um vor dem prognostizierten Regen (ab Nachmittag am Berg; am Abend dann auch im Tal) damit fertig zu sein.
Zumal ich davor auch noch zur „Velo Station“ in Pau musste, um eine neue Luftpumpe zu kaufen. Ich hatte wieder Glück, denn in dem Hotel in Pau waren gleichzeitig vier weitere Bikepacker zu Gast. Wir kamen ins Gespräch, und auch sie waren beeindruckt von meinem Vorhaben und dem Setup an meinem Rad.
Jedenfall konnte ich mir eine Pumpe ausleihen und meinen Reifen so weit aufpumpen, dass ich die zwei Kilometer zur „Velo Station„fahren konnte und nicht schieben musste. HERZLICHEN DANK nochmals, Jungs!

Kurz drauf war ich auch schon wieder bestens ausgerüstet und konnte meine Fahrt gemütlich fortsetzen. Ich hatte laut Wetterbericht sieben Stunden Zeit, um nach Luz-Saint-Sauveur zu kommen. Und die nahm ich mir auch.

Ich war noch nichteinmal richtig aus Pau rausgefahren, da lud ein bezaubernder Platz an der Grave du Pau zu einer ersten Rast ein.
Am Weg kaufte ich mir in einer Boulangerie ein frisches Baguette und Kekse als Wegzehrung. Ansonsten passierte lange nichts richtig Aufregendes. Ich rollte durch die Landschaft auf die hohen Berge zu, die langsam näher kamen.

Ich kam durch extrem verschlafene Dörfer. Als einzelner Radfahrer war ich dort eine richtige Attraktion. Ich musste nur anhalten und mein Langarmtrikot ausziehen, da öffnete sich auch schon eine Tür und ich wurde gefragt, ob ich ein Problem habe.
Nicht so am Wallfahrtsort Lourdes, wo an der Marienkirche eine Open-Air-Messe für eine riesige Menge Pilger zelebriert wurde.

Die Berge um mich wurden immer höher. Die Grave immer wilder. Rafting, Kanu und andere Flussabenteuer werden hier angeboten.

Und schließlich kam ich in Luz-Saint-Sauveur an. Kaum war ich hier, setzte auch schon der angekündigte Regen ein. Doch da war ich schon bei meinem Abendprogramm: Duschen, Wäsche waschen, essen. Morgen wird ein anderer Tag.
TCR #18 Col de Tourmalet + Col d‘ Aspin
Samstag, 24.Mai. Was für ein genialer Tag in den Bergen! Als um 7 Uhr mein Wecker klingelte, konnte ich es selbst kaum glauben. Aber die Regenwolken, die gestern Abend über Luz Saint Sauveur hereingezogen waren, hatten sich tatsächlich wieder komplett verzogen. Über den Bergen war kein Wölkchen mehr zu sehen.

Nach dem Frühstück und einem schnellen Bike-Check ging ich daher auch gleih an die Auffahrt zum Tourmalet. Ich wollte oben sein, bevor sich die an solch herrlichen Wochenend-Tagen erwartbate Motorrad- und Mobile-Home-Karawae in Bewegung setzt.
Vor Beginn meiner Tour hatte ich ja noch damit geliebäugelt, während meiner Reise auch den kompletten Pyrenäen-Bogen abzufahren und auch die Route entsprechend geplant. Mittlerweile ist mir jedoch klar, dass dadurch mein Zeitbudget deutlich überzogen würde. Um das große Ziel, das Nordkap, nicht zu gefährden, habe ich diesen Plan daher verworfen. Eine Pyrenäen-Durchquerung ist ein eigenes Projekt, das ich hoffentlich in ein, zwei Jahren angehen kann. Und außerdem ist das eher eine Sache für den Sommer. Den Tourmalet wollte ich mir aber auf keinen Fall entgehen lassen.

Der Tourmalet ist – wie der benachbarte Vol d‘ Aspin, den ich im Anschluss befahren sollte – ein Stück Tour de France Geschichte. 1910 wurde er zum ersten Mal im Rahmen der Frankreich-Rundfahrt befahren. Die Legende will es, dass der von den Veranstaltern ausgesandte Kundschafter beinahe selbst im Tiefschnee umgekommen wäre, ehe er nach Paris telegrafierte, dass der Pass befahrbar sei.
Zahlreiche weitere Heldengschichten ranken sich um den Berg. Angefangen von jener aus dem Jahr 1913, als dem bei der Tour in Führung liegenden Eugene Christophe die Gabel (die Aufhängung des Vorderrades) brach.
Das damals geltende und aus heutiger Sicht komplett absurde Reglement schrieb es vor, dass die Teilnehmer während der Tour ihre Räder nicht wechseln durften. Und im Falle eines Defekts mussten sie diesen selbst und ohne Hilfe beheben. Also schob Christophe sein Rad ins Tal nach St. Marie de Campan, wo er eine Schmiede fand, in der er seine Gabel reparieren konnte. In dem Ort erinnert heute ein Denkmal daran.

Die letzte denkwürdige sportliche Schlacht am Tourmalet fand im August 2024 statt, als die Niederländerin Demi Vollering zwar den Tagessieg der Schlussetappe der Tour de France Femmes holen konte, die Tour aber dennoch um vier Sekunden an die Polin Katarzyna Niewiadoma verlor.
Abgesehen davon ist eine Tourmalet-Befahrung an einem Traumtag wìe heute ein sensationelles Erlebnis.

Erst recht, wenn man bei der Auffahrt den Weg über die Voie Laurent Fignon nimmt, die ein Teil der alten Straße auf den Berg ist, der heute als ein Wirtschaftsweg genutzt wird, den nur Radfahrer benutzen dürfen. Autos und Motorräder sind dort verboten.

Etwas oberhalb des Ski-Ortes Super-Bareges kommen die alte und die neue Straße wieder zusammen. Von hier weg sind es nur noch ein paar Kilometer bis zum Passübergang. Die Straße zieht nochmals an, wird aber nie so steil, dass sie für mich und Katie unfahrbar wäre. Auf der Straße kann ich zum Ansporn die Namen von Sport-Größen lesen. „POGI“, VINGEGAARD“. „REMCO“ oder „ROGLA“ steht dort geschrieben. Und „NORWAY“ – gerade so als ob mich jemand anfeuern wolle.

Schließlich bin ich oben, am Passübergang, an dem sich zu der Zeit hauptsächlich Rennradfahrer befinden. Und natürlich errege ich mit KATIE auch hier wieder Aufmerksamkeit. Als ich erzähle was ich vorhabe, will sich eine Radler- Gruppe auch gleich mit mir fotografieren. Ich selbst mache natürlich auch meine obligatorischen Pass-Fotos, um das Erlebnis festzuhalten.


Der Rest des Tages ist dagegen vergleichsweise unspektakulär. Bei der Abfahrt ist es ziemlich kalt, und ich muss etliche Schichten übereinander anziehen. Leider bemerke ich dabei auch einen Verlust. Meine langen Neopren-Handschuhe sind nicht in der Raentasche bei den Regensachen. Ich hoffe zwar, dass ich die nur irgendwo anders eingepackt habe, weiß aber eigentlich sofort, dass ich sie verloren haben muss, was sich am Abend beim Durchsuchen meines Gepäcks auch bestätigt. Schade, die waren gut und warm. Bei Wind und Regen. Ich werde Ersatz finden müssen.
Der Aspin ist dann eigentlich nur eine etwas lästige Hürde am Weg – aber eine schöne Abfahrt. Wären da nicht hunderte von Motorradfahrern, die mir entgegenkommen und in Kurven oft gefährlich in meine Fahrbahnseite schneiden. Eine „Rider 1000“ Challenge bringt sie dazu, so riskant zu fahren. Drive save, boys!

Und dann noch Kilometer fressen bis es Zeit wird, ein Quartier für die Nacht zu suchen.
Es ist wunderbar in den Pyrenäen. Ich komme gerne wieder. Jetzt liegt mein eigentliches Ziel aber dennoch ein paar Tausend Kilometer weiter im Norden.
TCR #19 am Weg zum Mittelmeer
Sonntag, 25. Mai. Müdigkeit, Durst und Hunger. Das sind die drei Dinge, die mir von der heutigen Fahrt am meisten in Erinnerung sind. Es wird Zeit für einen Ruhetag. Den gibt es dann am Dienstag, an der französischen Mittelmeerküste.
Die Strecke bis dahin habe ich mir in zwei halbwegs gleich große Abschnitte aufgeteilt. Denn um das in einem Rutsch zu fahren, wäre es mir zu weit gewesen. Also jedenfalls im Rahmen dieser Reise, mit dem ganzen Gepäck am Rad.

Die längste Zeit bewegte ich mich im welligen Pyrenäen-Vorland, und wenn ich nach rechts sah, dann kamen die Berge in mein Blickfeld. Einige Male musste ich mich regelrecht beherrschen. Sonst hätte ich den Lenker nach rechts gedreht und wäre direkt wieder in das Gebirge gefahren.

Das war bevor mir das Wasser ausgegangen war. Danach war ich praktisch nur noch am Suchen. Den letztem kleinen Rest an Trinkwasser wollte ich nicht anrühren. Es hätte schließlich noch schlimmer werden können.
Ich passierte etlichce kleine Ortschaften, einfache Dörfer, ohne jegliche Infrastruktur. Wenn es eine Bar gab, dann war diese geschlossen. Wenn es eine Tankstelle gab, dann bestand diese nur aus Selbstbedienungs-Zapfsäulen.
Mein Lebensmittel-Vorrat war auf ein Minimum geschrumpft. Ich hatte nur noch eine Hand voll Datteln, einige getrocknete Marillen und Haferflocken. Perfekt, um daraus einen nahrhaften Porridge zu kochen. Wenn ich nur Wasser gehabt hätte. Quellen oder Brunnen, aus denen ich mich bedienen hätte können, gab es entlang meiner Route ebenfalls nicht. Das Garmin- Thermometer zeigte 30 Grad an.

Auch in Frankreich gibt es zahlreiche aufgelassene Bahnstrecken, die nur mit einem Fahrrad befahren werden dürfen. Meine Route führte lange an eine solchen entlang. Schön, aber ohne jegliche Infrastruktur.
Also bog ich davon ab, Richtung Hauptstraße. Und tatsäcblich kam ich bald darauf zu einer auch am Sonntag geöffneten Backstube, in der ich eine Pizza, ein Cola und Wasser bekam. Ich würde heute also weder verdursten noch verhungern.
Dafür überkam mich darauf die Müdigkeit. Inzwischen war ich wieder zurück an einer Voie verte. Zumindest gab es hier Schatten und einen Platz, an dem ich rasten konnte.
Eine, vielleicht auch zwei Stunden lang, lag ich im Gras und döste vor mich hin. Erst dann hatte ich wieder genug Energie, um meine Fahrt fortsetzen zu können. Nach Mirepoix, dem überraschend bezaubernden Zielort.

Essen, trinken, duschen, Wäsche waschen, schlafen.
Morgen geht es weiter Richtung Mittelmeer. Vielleicht noch 130, 140 Kilometer. Und dort gibt es dann einmal richtig Ruhe.
TCR #20 Ruhetag in Mirepoix
Montag, 26. Mai. Eigentlich wollte ich heute noch zur Mittelmeerküste weiterfahren und dann dort einen Ruhetag einlegen. Es sind noch rund 120 km bis zur Küste. Und am Weg gibt es keine großen Hindernisse. Es hätte ein lockerer Tag am Rad werden können.
Ich habe mir mit dem gestrigen Abendessen jedoch den Magen gründlich verdorben. Details spare ich her aus. Jedenfalls war die Nacht ein Horror, und am Morgen war an das Weiterfahren nicht zu denken. Ich hätte auch noch versucht, mich reisefertig zu machen, musste dann aber einsehen, dass das ein sinnloses Unterfangen wäre.

Nach nicht ganz drei Wochen Fahrt gibt es daher jetzt die erste Pause. Die tut auch richtig gut. Auch der Magen beruhigt sich langsam wieder. Morgen sollte ich meine Fahrt dann auch wieder fortsetzen können.
TCR #21 Ans Mittelmeer
Dienstag, 27. Mai. Einen ganzen Tag lang habe praktisch nur geschlafen. Nur hin und wieder konnte ich mich aufraffen, um eine Tasse Tee zu kochen. Mit ein bisschen Honig und einer Prise Salz war das mein Überlebenselexier. Über den Tag verteilt habe euch dann noch zwei Bananen gegessen. Mehr war einfach nicht möglich.
Als ich heute aufwachte, dachte ich zuerst, ich müsse noch einen weiteren Tag Pause einlegen. Doch so nett es in meinem Appartement in Mirepoix war – ich wollte zumindest versuchen, weiterzufahren.



Ich ließ mir Zeit, wechselte nochmals einen Schlauch (was mittlerweile ganz flott geht), packte meine Sachen und fuhr los.
Mit dem Westwind im Rücken über ein paar kleine Hügel zum Mittelmeer rollen kann doch nicht so schwer sein, dachte ich.
Ist es auch nicht. Normalerweise. Heute fühlte es sich an, als hätte Katie nochmals um 10 Kilo zugelegt. Und meine Beine haben erst am späteren Nachmittag einen runden Tritt gefunden.
Und mein Magen? Der rebellische Hund wurde boykottiert. Für den gab es heute nur zwei Bananen und ein paar Erdnüsse. Es waren auf der Strecke zwar immer noch einige Emergency-Stopps nötig, aber die konnte ich gut kontrollieren.

So fuhr ich in den Tag. Mit dem festen Ziel „Mittelmeer“ vor den Augen. Das war auch nötig, denn sonst wäre schon lange vorher Feierabend gewesen.
Dabei war die Strecke eigentlich sehr reizvoll. Hat mich zunächst, bis zum einzigen und kaum nennenswerten Pass des Tages, dem Col de la Malepere, stark an zuhause erinnert und danach an die Wachau und ein bisschen auch an das Burgenland.

Ich kam dann ins Tal der Aude, ein beliebtes Ziel für Hausboot-Touristen. Das hat auch nett und gemütlich ausgeschaut. Es kostet aber sicher einiges, so ein Boot auszuleihen. Und man braucht Zeit. Auf dem Rad war ich jedenfalls deutlich schneller als die Bootstouristen.

Und ich kam auch wieder durch viele kleine Dörfer, in denen es am Nachmittag totenstill war. Kein Cafe geöffnet, kein Shop und auch keine Tankstellen. Dabei hätte ich dann schon gerne einmal einen Kaffee oder ein Cola gehabt. Aber erst nach 17:00 kam ich in Saint-Nazaire-d’Aude an einem kleinen, geöffneten Lebensmittelgeschäft vorbei, in dem ich etwas zu trinken kaufen konnte.

Irgrndwann war ich dann – für mich überraschend – plötzlich in Narbonne, einer lebendigen Stadt mit vielen lachenden, gut gelaunten Menschen.
Am Meer war ich damit aber immer noch nicht. Und die Strecke bis dahin zog sich … am Ende des Tages bin ich aber doch gut angekommen. Am Mittelmeer. Das nächste Mal am Meer wid dann an der Nordsee sein. Der Weg dorthin ist noch ganz schön weit.

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