TCR – Blog | Woche 1


Die erste Woche des TCR. Von Málaga, über Seville in die Sierra Brava.

TCR #1 Prolog

Mittwoch, 7. Mai. Auftakt zu meiner Traskontinental-Expedition. Und gleich am ersten Tag musste ich akzeptieren, dass Pläne eben etwas Anderes sind als die Realität.

In der Nacht hatte ich vor Anspannung und Aufregung kaum geschlafen, aber das gehört wohl zu so einem Abenteuer dazu. Jedenfalls habe ich dann schon in  Malaga viel mehr Zeit gebraucht als ich gedacht hatte. Mit dem ungewohnt schweren Rad war es schon eine kleine Challenge, vom Flughafen weg und in dass historische Zentrum der Stadt zu kommen. Ein Dom-Foto musste nämlich schon sein. Und die Wolken, die mich zu Beginn noch Regen befürchten ließen, hatten sich da auch schon verzogen.

Frisch und munter vor dem Dom von Malaga.

Die Fahrt durch das Hinterland Richtung Marbella war dann eigentlich ganz fein. Wenngleich ich dort zum ersten Mal richtig spürte, dass es doch eine ganz andere Kiste ist, mit einem voll beladenen Reiserad über die Hügel zu fahren. Und zwar sowohl bergauf als auch bergab.

In Monda, einem der vielen weißen Dörfer Andalusiens. Die alle auf den Kuppen der unzählbar vielen Hügel errichtet wurden.

Am Weg nach Marbella, irgendwo in der Sierra de las Nieves, habe ich dann auch eine Abzweigung verpasst, sodass mein Garmin hartnäckig meckerte, ich sei von der Strecke abgewichen. Folgsam wie ich bin, bin ich der empfohlene Route dann eben gefolgt. Die war zwar wirklich ausgesprochen schön, hat aber letztlich dazu geführt, dass ich genau den Berg, den ich eben hinuntergerollt war, von der anderen Seite wieder hochgefahren bin. Das geplante Etappenziel ist damit wieder ein Stück weit weg gerückt.

In der Sierra de las Nieves

Dann Marbella. Ich weiß nicht, was an diesem Ort „bella“ sein soll. Jedenfalls wieder viele Kreisverkehre mit dichtem Verkehr, dutzende Ampeln (fast immer rot) und am Ende die A7, die Auzovia del Mediterraneo, als einzige Verbindung zu den weiteren Orten. Stückweise bin ich sie gefahren.  Auf einem ca. 70 cm schmalen Seitenstreifen. Was grundsätzlich erlaubt ist und auch einige andere Radfahrer gemacht haben. Die waren aber in Gruppen unterwegs. Mir hat das den Nerv gezogen. So wollte ich das nicht. 

Über Umwege bin ich dann zum Strand gekommen und ein schönes Stück durch mehrere Orte die Strandpromenade entlang gefahren. Das war viel besser als auf der A7, Tempo konnte ich dabei aber auch nicht machen.

Dann war die Strandpromenade zu Ende. Und es kam wieder die A7. Mit Abend-Berufsverkehr. Danke. Aber danke, nein. So lange es möglich war habe ich mich über die stiefmütterlichen Begleitwege weitergekämpft. Dann gab es die auch nicht mehr. 

Am Garmin-Display konnte ich einen Weg am Strand erkennen. In der Hoffnung, es wäre wieder eine Promenade – oder zumindest ein fahrbarer Weg – bin ich mit dem Rad dorthin.

So bin ich schließlich auf einem wilden Stück Strand gelandet. Ohne Weg. Nur Sand und Kiesel. Ein Stück weit habe ich KATIE noch geschoben, doch dann war es für heute endgültig Abenteuer genug und ich habe mir einen Platz gesucht, um mein Nachtlager aufzuschlagen. Der Versuch, das Zelt aufzubauen ist zwar gescheitert, weil es unmöglich war, im Sand un Schotter Haringe zu fixieren, aber Schlafsack und Unterlage tun es auch. Warm genug ist es. Und der klare Sternenhimmel lässt mich auch hoffen, dass kein Regen kommt.

Nachtlager am Strand.

Also noch ein kleines Abenteuer zum Abschluss des Tages.

Morgen geht es dann weiter nach Gibraltar, Tarifa und Richtung Sevilla. Mal sehen, wie weit ich komme.

TCR #2 Auf nach Tarifa

Donnerstag, 8. Mai. schwieriger Tag mit viel schieben. Aber der Reihe nach …

Das Nachtlager am Strand

Die Nacht am Strand war erfrischend und erholsam. Am Morgen habe meine Campingküche ausgepackt und Kaffee gekocht, ich hatte vom letzten Food-Stopp an einem Tankstellensupermarkt noch Schoko-Plundergebäck dazu. Und nach einer Morgenwäsche im Meer wurde das Nachtlager wieder verstaut und weiter ging es.

Mit der Drohne hatte ich davor die Umgebung ein wenig erkundet und gesehen, dass der nächste fahrbre Weg nur einen Steinwurf entfernt ist. Davor musste ich KATIE aber noch über den Felsen, der dazwischen lag hieven. Und das Fahrvergnügen danach war auch nur kurz, denn schon war ich wieder am Strand gelandet und es hieß wieder schieben.

Es dauerte schließlich eine Stunde, bis ich wieder fahren konnte. Und musste dann erst recht ein Stück auf der A7, ehe ich auf eine kleine Straße abbiegen konnte.

Danach ging es aber etliche Kilometer gut und an einer schönen Route weiter Richtung Gibraltar, wobei ich den Felsen immer wieder vor Augen hatte und sah, wie der Koloss langsam näher kam. Und schon wieder die A7. Genervt habe ich den Garmin nach einer Alternative suchen lassen. Und der hat auch tatsächlich eine gefunden. Einen schönen Gravel-Trail als Begleitweg zur A7.

Am Gravel-Trail Richtung Gibraltar

Schön bedeutete zwar auch langsam, aber nach ca. vier Stunden Fahrzeit war ich dann auch in Gibraltar angekommen.

Das war eine ziemliche Enttäuschung. Abgesehen von der geografischen Bedeutung hat Gibraltar – zumindest für einen Rad-Touristen wie mich – eigentlich gar nichts zu bieten. Es ist ein reiner Touristen-Hotspot mit Shops, Shops, Shops und noch mehr Lokale, die alle gesteckt voll und sehr wenig einladend aussahen.

Ich musste das Rad durch die Fußgängerzone schieben (sonst winken 300 £ Strafe) und habe dann doch irgendwie zur Windmill Road gefunden, die zum oberen Fels hochführt. Steil, aber nicht ganz unfahrbar. Bis zum Kassen-Häuschen, wo ich dann 30 £ zahlen hätte müssen, um weiter zum Nature Reserve auf den Affenberg hinauf zu kommen. Also nein, danke. 30 £ dafür, dass ich mich gut einen Kilometer weiter quälen und dann ein Foto machen darf waren mir dann doch zu viel.

Big Business: Die Einfahrt in das Nature Reserve am Felsen von Gibraltar kostet 30 £.

Ich bin dann eben noch zum „Punto Europa“, dem Leuchtturm und dann wieder aus der Stadt raus gefahren (natürlich wieder mit schieben).

Zusammengefasst war Gibraltar im Grunde nur reine Zeitverschwendung. Aber immerhin war ich dort und muss das im Leben garantiert nicht mehr wiederholen.

Auf nach Tarifa, mit dem Westwind auf der Nase. (Hallo, Freund!) Dann über großartige Straßen durch Korkeichenwälder Richtung Algeciras, wo es ganze Kolonien von Störchen gibt. Entlang meiner Route war praktisch jeder Strommast mit zumindest einem Storchennest belegt. Beeindruckend.

Storchennester bei Algeciras

Ich hatte schon das Ziel Tarifa vor Augen, als ich bei einem Kreisverkehr rechts abbog und zu spät sah, dass ein mehrere Zentimeter dickes Stahlseil als Absperrung etwas über dem Boden gespannt war. Ich konnte gerade noch einen Sturz vermeiden und das Vorderrad über das Seil reißen. Einen Bunny-Hop konnte ich aber mit KATIE nicht machen. Und die Folge war die erste Reifenpanne der Reise.

Zeit für einen neuen Schlauch

Kein großes Drama, aber blöd und ärgerlich. Und wieder zeitraubend. Besonders, weil ich hinten das ganze Gepäck abmontieren musste, um den Schlauch wechseln zu können.

Als das endlich erledigt war, führte mich die Route kurz danach weiter auf die N340. Und die war fast wieder wie eine Autobahn. Gespickt mit einem Anstieg mit 350 Höhenmetern, der sich gefühlt ewig dahinzog.

12 Kilometer noch bis Tarifa. Abendverkehr auf der N340. Ein Graus. Und weil mein Garmin am Vormittag eine so nette Alternativroute gefunden hatte, ließ ich ihn das wieder machen.

Hätte. Ich. Besser. Nicht. Getan.

Garmin fand eine Route. Die war zuerst eine schöne Abfahrt auf einer Schotterpiste, die mir das Grinsen ins Gesicht zauberte.

Das änderte sich aber bald, als die Route in einen Wanderweg mündete. Zunächst auch noch fahrbar, dann aber schieben in der Erwartung, dass es bald wieder besser wird. Wurde es nicht. Schließlich steckte ich fest.

Es gab kein Weiter mehr, nur noch ein zurück. Und KATIE hat es mir richtig schwer gemacht, wieder auf die Straße zu kommen. Es wurde Nacht, leichter Regen hat eingesetzt und im Gebüsch rings um mich waren nur noch die Wildschweine (habe tatsächlich ein paar Frischlinge gesehen) unterwegs.

Verschwitzt, staubig und hungrig wieder zurück an der N340 habe ich beschlossen, im ersten Hotel das ich sehe einzuchecken. Darauf musste ich dann zum Glück nicht mehr lange warten. Und es war ein richtig guter Glückstreffer. Die Meson Sancha. Ein schönes Zimmer, eine heiße Dusche und dann auch noch gutes Essen.

Abendessen in der Meson Sancha

Nach dem Essen habe ich dann noch die dreckige und verschwitzte Wäsche des Tages gewaschen und bin anschließend ins Bett gekippt. Mit dem Vorsatz, keine solchen „Abschneider“ mehr zu machen.

TCR #3 Tarifa und auf schönen Wegen Richtung Sevilla

Freitag, 9. Mai. Ich war am Morgen noch einigermaßen zerstört von der Anstrengung des Vortages. Die Schieberei forderte noch ihren Tribut. Also dauerte es eine Weile, bis ich reisefertig für die letzten Kilometer nach Tarifa war. Es war dann nur noch ein kurzer Roller dorthin. Ein letztes Mal die N340. Augen zu und durch.

Nach rund einer halben Stunde war ich am Ziel. Oder eigentlich am Start. Am Tor von Tarifa Island, dem südlichsten Punkt Europas.

Diese Punkt markiert der Mohamed Tower, ein weißer Leuchtturm. Die Insel kann allerdings nur nach Voranmeldung, mit Ticket und Führung besucht werden. Ich hatte nichts davon, also konnte ich nur bis zum Tor.

Nachdem ich noch ein paar Fotos am kleinen Monument gemacht hatte, das die Grenze zwischen dem Atlantik und dem Mittelmeer markiert, hieß es aber: „Auf nach Norden!“

Der Weg führte mich zunächst einige Kilometer am Strand entlang, durch ein  schönes Naturschutzgebiet. Dann hieß es für die nächsten Tage Abschied nehmen vom Meer.

Naturreservat am Strand bei Tarifa

Als meine Route in die CA9210 nach Norden abbog, sah ich noch eine Tankstelle mit Carrefour Express Markt, wo ich noch Halt für ein zweites Frühstück machte und mich mit Reiseproviant eindeckte. Ein Glück, denn es sollte für sehr lange Zeit die letzte Möglichkeit sein, Essen und Trinken zu kaufen.

Die CA9210 führte mich schnell ins hügelige und nahezu menschenleere Hinterland. Und schließlich auf eine herrliche Gravel-Piste durch das Valle de Ojen.

Je länger die Fahrt dauerte, desto schöner wurde die Umgebung.

Ein Bett fand ich schließlich im Hotel San Jorge in einem der weißen Dörfer Adalusiens, Alcalá de los Gazules. Wenig mondän. Aber zum Schlafen, Duschen und Energie aufladen (meine und die meiner Geräte) gut genug.

Das Beste kam aber noch. Nach einem kurzen Verbindungsstück auf Asfalt kam ich im Valdeinfierno auf die nächste Gravel-Piste. (Heute fast ganz ohne schieben.

Das traumhafte Valdeinfierno mündete schließlich in den Corrrdor Verde Dos Bahias, einem einer alten Bahntrasse folgenden Wander- und Radweg durch das abgeschnittene, fern von jedem Ort liegende andalusische Hügelland.

Die Fahrt war ein echter Traum, wenngleich auf Dauer auch recht anstrengend und kraftraubend. Es wundert mich wirklich, dass entlang  dieses Weges einmal eine Eisenbahn fahren konnte.

Ich musste nicht die ganzen 92 Kilometer des Corridor Verde fahren, aber immerhin rund 40, und als ich anschließend wieder auf Asfalt kam, war das folgende desolate Ding trotz des großartigen Erlebnisses zuvor eine kleine Erlösung.

Ich kam am Embalse de Barbate vorbei, einem wunderschönen Stausee. Im Grunde wäre das der Ort gewesen, um es für heute gut sein zu lassen. In aller Ruhe das Zelt aufbauen, im Stausee zu schwimmen und den Tag ausklingen zu lassen.

Am Embalse Barbate. Leider konnte ich hier nicht übernachten.

Ich er jedoch seit Tarifa an keinem einzigen Ort oder Shop mehr vorbeigekommen und hatte nur noch einen Mars-Riegel, ein halbleeres Säckchen Gummibärchen und zwei Sport-Gels übrig. Ich brauchte daher unbedingt noch etwas zu essen. Trinken wäre kein Problem gewesen, denn ich habe einen Katadyn Filter dabei. Mit dem hätte ich Wasser aus dem See aufbereiten und trinken können, was ich heute unterwegs auch schon einmal an einem Brunnen gemacht habe.

Ich suchte über Google Maps nach einem Lebensmittelgeschäft oder einem Restaurant. Doch es gab weit uf breit nichts. Mir blieb also nichts Anderes übrig, als den schönen Schlafplatz sausen zu lassen, noch ein Gel in mich zu drücken und weiterzufahren.

Der Abschluss des großartigen Tages am Rad war dann weniger spektakulär. Das erste geöffnete „Restaurant“ gut 20 Kilometer weiter war ein Burger-King. Und um nicht zu riskieren, dass ich gar nichts mehr zu essen bekomme – es war zwar immer noch hell, aber schon fast 22:00 – gab es heute eben einmal ein BK-Dinner (das mir Stunden später immer noch schlecht im Magen liegt.

TCR #4 Nach Sevilla

Samstag, 10. Mai. Morgenroutine hat sich noch nicht wirklich eingestellt. Ich brauche immer noch ziemlich lang, bis ich all meine Sachen eingepackt und wieder alle Taschen am Rad montiert sind, sodass Katie fahrbereit ist. Und ein Frühstück (Kaffee und spanischer Toast) um 2,50 € ist zwar sensationell günstig, in Spanien dauert das aber eine Weile. Besonders wenn gerade Wochenende ist und die Sonne scheint.

Dann musste ich noch Essen und Trinken einkaufen und es wurde wieder etwas spät, bis ich losfahren konnte.

Ich war dann fast den ganzen Tag auf verkehrsarmen Nebenstraßen unterwegs.

Von Alcala de los Gazueles kam ich auf die CA5200, die sich herrlich kurvenreich und leicht hügelig durch die Ausläufer des Alcornocales-Gebiets wand. Ein Genuss zu fahren.

Der Guadalcacin-Stausee markierte dann die Grenze des Hügellandes. Von dort an wurde die Landschaft zusehends flacher, statt Korkeichenwäldern gab es nun Weizenfelder, Olivenplantagen und Photovoltaik-Felder zu sehen.

Arcos de la Frontera, die weiße Stadt mit der Festung, die imposant am Abriss einer Felskante trohnt – aber sonst wenig kann – war dann wieder eine ähnliche Grenze. Die Landschaft wurde immer noch flacher und unaufregender, durchsetzt mit kleinen Ortschaften, die an diesem Samstagnachmittag wenig belebt waren.

In Gibalbin, das im Wesentlichen aus einer Häuserzeile entlang der CA4011 besteht, habe ich Halt gemacht und bin im „La Choza“ zum Mittagessen eingekehrt. Ich war schließlich schon wieder vier Stunden lang unterwegs und es tat gut, eine Pause einzulegen und richtig zu essen und genug zu trinken.

Das Essen war auch wichtig für die Motivation, denn anschließend folgte ein ziemlich öder Teil der Route. Nach “ Las Cabezas de San Juan war es nur noch flach und windig. Die Straße zum Teil kilometerlang wie mit dem Lineal durch die Landschaft gezogen, da und dort eine Insdustrieruine.

Es war im Grunde eine leicht fahrbare Strecke, auf der ich es zwischendurch auch einmal rollen lassen konnte und nicht permanent arbeiten musste. Dennoch dachte ich in schöner Erinnerung an die Route des Vortages zurück und nahm sie in meine goldene Liste der schönsten Strecken, die ich jemals gefahren bin, auf.

Es gab an der heutigen Route, schon in Reichweite von Sevilla, auch wieder einen „Corredor Verde“, aber der war kein Vergleich mit dem von gestern. Er folgte im Grunde nur der ohnehin kaum befahren Straße und war schlecht in Schuss. Verwachsen, ausgewaschen, Schlaglöcher. Brauchte ich nicht.

Dann kam ich in den praktisch nur aus Lagerhallen und Logistikzentren bestehende Ort „Dos Hermanos“. Zum Glück war Samstagnachmittag. Den LKW-Verkehr an einem Werktag hätte ich nicht erleben wollen. So konnte ich durch das Industriegebiet einfach durchrollen.

Harter Kontrast zu gestern: Amazon-Zentrum in Dos Hermanos

Und schon war ich in Sevilla. Die Ortsschilder zu sehen war ein kleiner Triumph. Ich fuhr weiter auf Radwegen Richtung Zentrum und Dom, dem heutigen Etappenziel.

Je näher ich dem Ziel kam, desto belebter wurden die Straßen von Menschen in Festtagskleidung – Herren in Tracht und als Toreros geschmückt und Damen in bunten Flamenco-Kleidern. Manche hoch zu Ross oder in Kutschen. Es ist „Feria“ in Sevilla, das große Volksfest.

Es war amüsant, die vielen festlich angezogenen Menschen zu sehen. Aber ich hatte keine Zeit, mich ihnen anzuschließen und zu feiern. Ich musste noch einen Schlafplatz finden, duschen, essen und Wäsche waschen.

Am Domplatz von Sevilla

Mein Schlafplatz ist ebenfalls ein Abenteuer. Das Futura-Hotel. Hier hat man kein Zimmer, sondern eine Schlafkapsel, die an „2001- Odyssee im Weltraum“ erinnert.

In meiner Raumkapsel im Futurhotel

Gute Nacht. Morgen geht es wieder. Das nächste Ziel ist Madrid. Mal sehen, wie lange ich dorthin brauche. Dazwischen liegt als erstes einmal die Sierra Morena de Sevila. Die verspricht wieder abenteuerlich schön zu werden.

TCR #5 Raus aus der Stadt mit Pannen

Sontag. 11. Mai. Die Nacht im Raumschiff war ein Erlebnis. Man schläft gut in so einer Kapsel. Allerdings sind sie sehr hellhörig und man bekommt immer mit, wenn jemand anderer kommt oder geht. Und ich hätte auch verschiedene Gespräche mithören können, wenn meine Spanischkenntnisse besser wären.

Ich war dann auch morgens schon recht zeitig reisefertig, denn ich hatte mir keine Ohropax reingehämmert und um 8:00 wären die dann nötig gewesen.

Bevor ich mich auf den Weg aus der Stadt raus machte, wollte ich noch kurz einen Blick auf dass Feria-Gelände werfen. Einfach um es gesehen zu haben und zu wissen, was die Menschen in solchen Massen bewegt, kostümiert und herausgeputzt dorthin zu gehen.

Eingangsportal zur Feria de Abril in Sevilla

Meine Erkenntnis: Die Feria de Abril in Sevilla ist die spanische Variante des Münchner Oktoberfests. Hier Torreros und Flamenco-Tänzerinnen. Dort Lederhosen, Seppl-Hüte und Dirndln. Paella statt Weißwurst, Bier trinken die Spanier ebenso in Massen, aber nicht in Maßen. Und beide Feste finden nicht in den Monaten statt, der in ihren Namen steckt.

Aber zurück. Ich hatte mir eben ein Bild von dem Volksfest gemacht und wollte mich wieder den Weg machen, als meinem Vorderreifen plötzlich die Luft ausging.

Also doch nicht zeitig losfahren, sondern erst Reifen flicken. Eine Sache, die normalerweise keine zehn Minuten  dauert. Reifen runter, Schlauch raus, neuen rein, Reifen wieder rauf und den kaputten Schlauch mitnehmen und später flicken.

Heute war es aber richtig verhext. Als ich den neuen Schlauch (mein letzter neuer) aufpumpte, ging ihm gleich wieder die Luft aus. Also wieder runter, Loch suchen, kleben, wieder rauf und aufpumpen. Und wieder blieb keine Luft im Reifen. Nach dem dritten oder vierten Anlauf war der Schlauch reif für die Tonne. Ich versuchte, den alten Schlauch zu flicken. Einmal, zweimal. Dann war auch mein Reifenflickset aufgebraucht.

Auch der letzte Flicken war gleich vertan.

Es war Sonntag, die Bike-Shops geschlossen, ich saß in Sevilla am Boden direkt vor dem Eingangsportal zur Feria mit einem Plattform und hatte keinen Schlauch und keinen Flicken mehr. Und musste mir die blöden Fragen und Sprüche der Leute anhören, die mittlerweile in immer größerer Zahl zur Feria gingen.

Dann bekam ich den Tipp, vielleicht bei einem auch am Sonntag geöffneten Radverleih Hilfe zu holen (DANKE, NIKLAS).

So spazierte ich, die beladene Katie schieben, von Bike Rental  zu Bike Rental. Stadtspaziergang einmal anders. Im dritten Shop, bei Baja Bikes, gab es endlich auch eine Werkstatt und Schläuche lagernd. Und ich bekam bereitwillig Hilfe.

Aber auch die Jungs von Baja Bike bekamen richtig Stress bei der Standard-Übung einen neuen Schlauch einzuziehen. Einerseits, weil der Reifen kaum auf die Felge zu bringen war. Andererseits, weil nach dem Aufpumpen die Luft sofort wieder entwich. Dann wurde der Übeltäter gefunden. In der Felge war ein kleiner Metallgrat. Ein Fabrikationsfehler, der nicht fachmännisch korrigiert, also abgeschliffen worden war. Er hatte sich durch das Felgenband gebohrt und killte jeden Schlauch sofort. Als der Grat dann zumindest gut überklebt war, konnte die Panne endlich behoben werden.

Mit fast fünf Stunden Verspätung und zwei neuen Ersatzschläuchen im Gepäck konnte ich dann endlich meine Reise fortsetzen.

Sevilla ist eine sehr schöne Stadt mit prächtigen Palästen, schönen Parks und Gärten, der Feria (wenn man Volksfeste mag) … das Umland kann aber genau gar nichts. Wie die Zufahrt führte auch die Abfahrt nach Norden kilometerlang über schnurgerade Straßen, durch eine vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Ebene, die von zahlreichen desolaten Gebäuden verschandelt wird. Am Straßenrand liegt permanent achtlos weggeworfener Müll. Dazwischen Orangenplantagen, die im Mai allerdings schon abgeerntet sind.

Einige Orangen haben dann aber doch noch herausgeleuchtet und ich habe mir erlaubt, ein paar davon zu stiebitzen. Die Orangenbarone werden es mir verzeihen müssen.

Die langweilige Ebene erstreckt sich bis zum Ort Cantillana. Von hier weg wurde die Umgebung wieder wesentlich attraktiver. Die Stecke führte mich durch den Naturpark Sierra Norte, diesmal auf Asfalt. Eine schöne, neue Straße zieht nur leider auch etwas Verkehr an.

Schließlich wurde es Zeit, an das Einkaufen (Wasser und Essen) zu denken und nach einem Platz Ausschau zu halten, an dem ich mein Zelt aufschlagen kann. Bevor es finster und zu spät ist. Ortschaften, Shops oder eine andere Infrastruktur sind in der Sierra Norte nämlich wieder sehr rar.

Kabinenparty #2

Ein Glück daher, dass ich noch rechtzeitig eine Tankstelle mit Shop fand. Und kurz danach auch ein verstecktes Plätzchen für mein Zelt. Dehnen, essen, bloggen, schlafen. Morgen es weiter.

TCR #6 Hasta luego Andalusien, bienvenido Extremadura

Montag, 12. Mai. Eat – Ride – Sleep – Repeat heißt ein T-Shirt-Spruch. Nun, es ist eher mehr Eat – Ride – Drink – Ride – Eat – Ride – Drink – Drink – Drink – Eat – Eat – Ride – …. – Repeat – Sleep – Repeat

Also Langsam komme ich in den Rhythmus und Auto-Modus. Ich denke nicht mehr an Kilometer, Höhenmeter und sonstige Dinge, sondern fahre einfach. Folge meiner Route, aber genauso könnte ich einer Kompassnadel folgen. Nach Norden eben. Und zwischendurch Essen und Trinken organisieren. Und wenn ich einen Hänger habe, suche ich mir einen Platz um kurz Rast zu machen.

Die Route hat mich heute über die herrliche Sierra del Norte aus Andalusien hinaus in die Extremadura geführt.

Die Extremadura ist nicht einfach nur ein anderes Bundesland – wie Oberösterreich und Niederösterreich. Spanien wird hier tatsächlich ein ganzes Stück anders.

Die Landschaft deutlich flacher, wellig – hügelig. Sie erinnert mich an Spaghetti-Western. Dann auch wieder ans Waldviertel, nur eben noch viel weitläufiger und noch wesentlich dünner besiedelt. Zwischen den einzelnen kleinen Orten lagen heute immer gut 20 Kilometer.

Ähnlich gering war der Verkehr. Ungefähr alle fünf Minuten ein Auto, manchmal ein Motorrad und gezählte drei Rennradfahrer.

Essen und Trinken will daher hier gut geplant sein. Geöffnete Cafés oder Supermärkte muss man gezielt suchen und ansteuern. In einem Café in Azuaga – einem ganz traditionellen Ort ohne Tourismus – hatte ich das Glück, eine lokale Spezialität probieren zu können.

Die Kirche von Azuaga

Ich habe leider vergessen, wie das heißt, aber es ist frittiert und ähnlich wie Baklava in Zuckerwasser getränkt. Falls das jemand kennt, bin ich für Hinweise dankbar (bitte in den Kommentaren posten). Sonst hoffe ich, die Leckerei nochmals irgendwo zu finden. -> Siehe Foto.

C + C: Coffee + Carbs

Sonst gibt es über den heutigen Tag wenig zu berichten, außer dass mir langsam dämmert, dass meine Projektplanung – also die Wunschroute sehr optimistisch war.

Ich mache mir deswegen aber noch keinen Kopf sondern genieße die Tage und alles, was ich hier erleben kann. Ich fahre schließlich kein Rennen. Und es ist immer noch genug Zeit, um leichtere Alternativen Richtung Nordkap zu überlegen.

TCR #7 In die Sierra Brava

Dienstag, 13. Mai. Die erste Woche ist schnell vorüber gegangen. Jeder einzelne Tag war ein Erlebnis. Es gab schöne Momente und schwierige. Freudige und weniger glückliche. Sie alle gehören dazu. Zum jetzt, in dem ich mich befinde. Vor mir liegt immer noch ein riesiges Stück Weg, aber wenn ich daran denke, was mich alles erwartet, dann löst das kein Schaudern aus, sondern Sehnsucht und freudige Erwartung, hinter den Horizont schauen zu können.

Der Tag begann damit, mein mobiles Zuhause wieder abzubauen. Das „Schlafzimmer“ wurde wieder eingepackt, während in der „Küche“ Kafee und die restlichen Penne als Wegzehrung gekocht wurden.

Danach ging es wieder auf den Weg. Und zum ersten Mal während meiner Reise bekam ich dabei auch Unterstützung in Form von Windschatten. „Sergio“ (leider habe ich den Namen auch wieder vergessen) im roten Cofidis-Trikot war beeindruckt, dass ich mit meiner schwer beladenen KATIE mit ihm mithalten konnte und zog mich bereitwillig mit, bis sich unsere Wege wieder trennten.

Meiner führte mich weiter auf Nebenstraßen und je länger ich fuhr, desto mehr konnte ich es wieder genießen.

Zwischendurch kam ich wieder an einen Corredor Verde, der von einer Olivenbaumallee eingerahmt war.

Und schließlich zum Sierra Brava Stausee. Wenn alles so gelaufen wäre, wie ich mir das zuhause ausgemalt hatte, dann wäre ich bereits eineinhalb Tage zuvor dort gewesen. Aber was sind schon Pläne? Ich hatte darin vieles nicht vorgesehen. Weder den gigantisch schönen aber zeitintensiven Corredor Verde Dos Bahias noch die Reifenpanne in Sevilla und viele weitere Kleinigkeiten ebenfalls nicht. Sie alle gehören aber dazu zu meiner Reise, zum richtigen Leben.

Ich machte zumindest Rast am Stausee, aß meine vorgekochten „Penne-to-go“ und beobachtete die Störche, die zu hunderten rund um den Stausee nisten und fliegen. Nicht jeder Vogel hat einen solchen Vogel, dass er zum Brüten von Afrika nach Österreich fliegt. Die meisten sind offensichtlich bequemer oder schlauer und bleiben zum Nisten in Spanien.

Die Sierra Brava zu befahren war wieder ein spezielles Erlebnis. Über viele Kilometer gehörte die Straße mir alleine. Um mich herum nur Störche, Schafe und Rinder auf saftigen Weiden.

Der einzige Punkt, der meine Laune trübte, waren die schwarzen Gewitter- und Regenwolken, die sich offensichtlich genau in meiner Fahrtrichtung ind den Bergen festgekrallt hatten und Wasser ließen.

Ich erkannte bald, dass ich bei meinem Tempo irgendwann zu den Wolken kommen und in den Regen eintauchen würde.

Bevor es dazu kam, erreichte ich noch die erste ausgeschilderte Passhöhe meiner Reise. Die Puerto de Puertollano, immerhin 800 Meter hoch gelegen.

Ich beschloss, noch bis Guadalupe, dem nächsten Ort, weiterzufahren, mir dort ein Zimmer zu nehmen und es dann für heute gut sein zu lassen. Mit etwas Glück zieht der Regen über Nacht ab und ich habe morgen wieder bessere Bedingungen. Jetzt gerade sieht es zwar nicht wirklich danach aus, aber ich werde schon sehen. Zumindest eine warme Dusche, ein gutes Abendessen und ein weiches Bett waren für mich schon drin. Und das verstaubt-verschwitzte Radgewand konnte ich auch waschen. Die Freude über diese kleinen Routinen ist denkbar groß.

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